Rz. 59

Die generelle Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 10 Abs. 1 muss grundsätzlich auch dann erfolgen, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Prüfung keine weiblichen Beschäftigten hat. Dieses Vorgehen ist aus Gründen des Diskriminierungsschutzes erforderlich, weil Arbeitsplätze geschlechtsunabhängig zu vergeben sind und deshalb jeder Arbeitsplatz auch für eine Frau in Betracht kommt. Die Ermittlung, bei welchen Tätigkeiten zusätzlich zu den Anforderungen nach dem Arbeitsschutzgesetz besondere Gefahren für schwangere und stillende Frauen und ihre Kinder bestehen und die Einordnung in 3 Gefährdungsklassen, soll frühzeitig Transparenz über mutterschutzsensible Tätigkeiten im Betrieb schaffen.

 

Rz. 60

Bei der Ermittlung dieser Tätigkeiten muss sich der Arbeitgeber an den Vorgaben des MuSchG orientieren. So enthalten z. B. die §§ 4-6 MuSchG das Verbot der Mehr- und Nachtarbeit sowie das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit und die §§ 11 und 12 MuSchG enthalten Kataloge unzulässiger Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für schwangere und stillende Frauen. Die ergänzende mutterschutzrechtliche Gefährdungsbeurteilung und die grundsätzliche Ermittlung des Bedarfs an Schutzmaßnahmen im Rahmen der arbeitsschutzrechtlichen Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG soll sicherstellen, dass sich der Arbeitgeber frühzeitig mit Fragen des Mutterschutzes bei der Organisation der Arbeit auseinandersetzt und ggf. auch in einen Austausch mit den Aufsichtsbehörden treten kann, die ihn bei der Erfüllung der mutterschutzrechtlichen Pflichten beraten.[1]

 

Rz. 61

Zudem ist die frühzeitige Erstellung der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach Satz 1 Grundvoraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber im Vorfeld einer möglichen Schwangerschaftsmeldung die Belegschaft über mutterschutzbezogene Gefährdungen informieren kann. Insbesondere auch die frühzeitige Kommunikation des Bedarfs an Schutzmaßnahmen im Fall einer Schwangerschaft der Beschäftigten trägt dem mutterschutzrechtlichen Präventionsgedanken Rechnung, vor allem auch im ersten Trimenon der Schwangerschaft. Frauen kennen dann bereits die Risiken, auch wenn sie noch nicht ihre Schwangerschaft gemeldet haben, bzw. möglicherweise noch gar nicht sichere Kenntnis von ihrer eigenen Schwangerschaft haben.

 

Rz. 62

Des Weiteren will der Gesetzgeber sicherstellen[2], dass zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Frau ihre Schwangerschaft oder den Umstand, dass sie ihr Kind stillt, mitteilt, bereits eine Gefährdungsbeurteilung vorliegt und eine erste Auseinandersetzung mit der Frage möglicher Schutzmaßnahmen vorgenommen wurde. Dies macht es wahrscheinlicher, dass die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 MuSchG angestrebte Weiterbeschäftigung der Frau während der Schwangerschaft und nach der Entbindung möglichst lückenlos gelingt. Eine erstmalige Gefährdungsbeurteilung erst bei Mitteilung einer Schwangerschaft oder Stillzeit wäre zu spät, da dies die Umsetzung von mutterschutzrechtlichen Schutzmaßnahmen verzögern würde. Dies würde auch der Zielsetzung des § 9 Abs. 1 Satz 2 MuSchG zuwiderlaufen, da eine Weiterbeschäftigung der Frau nach der Mitteilung ihrer Schwangerschaft ohne eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen gesundheitsschutzrechtlich unverantwortbar und damit unzulässig wäre (vgl. § 10 Abs. 3).

 

Rz. 63

Die frühzeitige Erstellung der mutterschutzrechtlichen Beurteilung der Arbeitsbedingungen ist zudem Voraussetzung für eine effektive Aufsichtstätigkeit der Aufsichtsbehörden nach § 27 MuSchG. Die Erstellung der mutterschutzrechtlichen Gefährdungsbeurteilung erst zum Zeitpunkt der Schwangerschaftsmeldung würde hingegen einer wirkungsvollen Beratungs- und Aufsichtstätigkeit der Aufsichtsbehörden im Vorfeld von Schwangerschaftsfällen zuwiderlaufen.

[1] Vgl. § 29, Rz. 27.
[2] BR-Drucks. 230/16 S. 76 ff.

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