3.1 Allgemeines

 

Rz. 6

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, auf Verlangen mit dem Betriebsrat allgemein über Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer zu beraten (§ 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Die Betriebspartner sind gehalten, die Berufsbildung der Belegschaftsmitglieder zu fördern. Der Betriebsrat ist vorschlagsberechtigt. Das Gesetz sieht im Grundsatz zunächst lediglich Beratungsrechte des Betriebsrats vor. Jedoch besteht darüber hinaus hinsichtlich der Durchführung von betrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung ein Mitbestimmungsrecht (§ 98 BetrVG). Des Weiteren sind wegen der besonderen Bedeutung der Berufsbildung die bestehenden Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit Einrichtungen und Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung verstärkt worden. Nach dem neu geschaffenen § 97 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat unter bestimmten Voraussetzungen die Durchführung von Bildungsmaßnahmen verlangen, um den Arbeitnehmern die mit den Änderungen von Arbeitsabläufen verbundenen gesteigerten Tätigkeitsanforderungen erfüllen zu können.

3.2 Abgrenzung zwischen Unterrichtung und Berufsbildung

 

Rz. 7

Die Berufsbildung ist wegen § 81 Abs. 1 Satz. 1 BetrVG strikt von den Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers zu unterscheiden. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten. Die Unterrichtspflicht ist eine individualvertragliche Pflicht gegenüber dem Arbeitnehmer, welche jedoch nicht zulasten der Mitbestimmungsrechte nach den §§ 96 ff. BetrVG ausgeweitet werden darf. Jede Maßnahme des Arbeitgebers, die über die Einweisung in den Arbeitsplatz hinausgeht und die beim Arbeitnehmer bestehenden Fähigkeiten und Kenntnisse mehr als nur unerheblich verbessert, ist als Berufsbildungsmaßnahme zu qualifizieren.[1]

[1] Vgl. Fitting, § 96 Rz. 20 ff.

3.3 Förderungs- und Ermittlungspflicht des Arbeitgebers

 

Rz. 8

Beide Betriebsparteien sind verpflichtet, die Berufsbildung im Betrieb zu fördern. Hieraus erwächst dem einzelnen Arbeitnehmer indes kein individueller Anspruch darauf, an einer Berufsbildungsmaßnahme teilnehmen zu dürfen. Vielmehr entscheidet der Arbeitgeber – abgesehen von dem Sonderfall des § 97 Abs. 2 BetrVG – allein, ob eine Berufsbildungsmaßnahme durchgeführt wird. Der Betriebsrat hat den Arbeitgeber jedoch darauf zu drängen, mit ihm über die Berufsbildung im Betrieb zu sprechen und – soweit erforderlich – derartige Maßnahmen innerhalb oder außerhalb des Betriebs durchzuführen (§ 96 Abs. 2 BetrVG). Sofern eine innerbetriebliche Personalplanung besteht, ist das Thema Berufsbildung in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen, da beide Aspekte eng miteinander verknüpft sind. Die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte aus § 96 BetrVG steht in Bezug auf die Leiharbeitnehmer allein dem Betriebsrat des Verleiherbetriebes zu (LAG Hamburg, Beschluss v. 31.10.2012, 5 TaBV 6/12).

 

Rz. 9

Der Betriebsrat kann gemäß § 96 Abs. 1 BetrVG verlangen, dass vor oder im Zuge der Beratung der Arbeitgeber den Berufsbildungsbedarf ermittelt. Hiermit hat der Arbeitgeber nicht nur eine Pflicht, vorhandenes Wissen weiterzugeben, sondern auch sich Informationen zu verschaffen. Die danach zu erteilenden Informationen und Auskünfte sind "auf Verlangen" des Betriebsrates zu erteilen, deshalb ist eine Verurteilung des Arbeitgebers zu einer zukünftigen Leistung, bspw. "einmal im Jahr" diese Auskünfte zu erteilen nicht möglich. Eine nur mündliche Information über den Berufsbildungsbedarf und eine mündliche Beratung sind ausreichend.[1] Auch mit Blick auf die digitale Weiterbildung hat der Arbeitgeber auf Verlangen des Betriebsrats nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln, um mit dem Betriebsrat Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer des Betriebs zu beraten.[2]

 

Rz. 9a

Die Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs[3] erfolgt nach Durchführung einer Ist- und Soll-Analyse (ArbG Hamburg, Beschluss v. 2.5.2011, 26 BV 23/09[4]). Gegenüberzustellen sind die zukünftigen Anforderungen an die Arbeitsplätze und die hierzu erforderlichen Qualifikationen einerseits und das aktuelle Qualifikationsniveau des Personals andererseits. Die Differenz zu den vorhandenen Qualifikationen der Mitarbeiter ergibt sodann den Bildungsbedarf.[5] Zu der Feststellung des Ist-Zustandes gehört die Angabe des aktuellen Personalbestands und des aktuellen Qualifikationsniveaus (ArbG Hamburg, Beschluss v. 2.5.2011, 26 BV 23/09[6]). In der Wahl der Methode zur Bedarfsermittlung ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Berufsbildungsbedarf seiner Arbeitnehmer zu ermitteln, besteht jedoch zumindest solange fort, wie der Arbeitgeber noch nicht einmal den Ist-Zustand ordnungsgemäß festgestellt hat (ArbG Frankfurt, Beschluss v. 13.8.2008, 7 BV 207/08[7]). In diesem Zusammenhang hat der Arbeitgeber ebenfalls den Personalstand und die Fluktuation zu berücksichtigen, da das Ausscheiden von (qualifizierten) Arbeitnehmern unmittelbaren Einfluss auf das Qualifikationsniveau der Belegschaft hat. Diese unmittelbare Verbindun...

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