Rz. 4

Dem Betriebsrat ist mit der Vorschrift ein Instrumentarium an die Hand gegeben worden, um die Initiative für eine Beschäftigungssicherung ergreifen zu können. Der Betriebsrat ist damit in die Lage versetzt, eigene Vorschläge zur Beschäftigungssicherung zu machen.[1] § 92a Abs. 1 BetrVG normiert ein umfassendes Vorschlagsrecht des Betriebsrats zur Förderung und Sicherung der Beschäftigung gegenüber dem Arbeitgeber (Satz 1). Die Vorschläge des Betriebsrats sind von ihrem Gegenstand nicht begrenzt. Dies verdeutlicht die nicht abschließende, sondern nur beispielhafte Aufzählung der Maßnahmen, die nach Satz 2 vom Betriebsrat vorgeschlagen werden können. Als Beispiele für beschäftigungsrelevante Betriebsratsinitiativen sind zu nennen:

  • Flexibilisierung der Arbeitszeit
  • Förderung von Teilzeitarbeit
  • Einführung von Altersteilzeit
  • Einführung neuer Arbeitsformen (z. B. Gruppenarbeit)
  • Änderungen von Arbeitsverfahren und Arbeitsablauf
  • Qualifizierung der Arbeitnehmer
  • Aufzeigen von Alternativen für ein geplantes Outsourcing
  • (Gegen-)Vorschläge zum Produktions- und Investitionsprogramm des Arbeitgebers
  • Erweiterung der Produktion, Dienstleistungen oder Geschäftsfelder
  • Hinwirken auf eine umweltbewusstere Produktion, um die Nachfrage zu erhöhen
 

Rz. 4a

Die neu geschaffene Vorschrift gewährt dem Betriebsrat jedoch kein allgemeines sozialpolitisches Mandat oder ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der Unternehmensführung. Ihr Zweck ist aber sehr wohl darauf gerichtet, den Dialog der Betriebsparteien in Fragen der Beschäftigungssicherung zu fördern.[2] Die Betriebspartner sehen sich angesichts der voranschreitenden Digitalisierung und Globalisierung erheblichen Herausforderungen ausgesetzt. Nicht allein die Arbeitsmethoden im Verwaltungs-, Dienstleistungs- und Produktionsbereich sowie die Arbeitsbedingungen der dort tätigen Personen, sondern sukzessive auch die Arbeit selbst, verändern sich zunehmend. Die fortschreitende Auflösung der Verknüpfung der Arbeitstätigkeit von einem bestimmten (inländischen) Arbeitsplatz – zu nennen sind in diesem Kontext u. a. die Schlagworte "Crowdworking" sowie "On-Demand Economy" – in immer mehr Berufen, verändert denknotwendig auch die überkommene Vorstellung der Gemeinschaft von Arbeitnehmern in einem Betrieb. Der traditionelle Betriebsbegriff ist jedoch unverändert der Anknüpfungspunkt für die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland. Die fortschreitende informationstechnologische Entwicklung und somit auch die grenzüberschreitende Erbringung von Arbeits- und Dienstleistungen wird hingegen weder durch das Betriebsverfassungsrecht noch durch sonstige Rechtsvorschriften in ihrer gegenwärtigen Konstitution aufzuhalten sein. Betriebsräte werden daher mit dem Arbeitgeber die Möglichkeiten der Beschäftigungssicherung im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu erörtern haben.[3]

 

Rz. 5

§ 92a Abs. 2 BetrVG verpflichtet den Arbeitgeber, sich mit den Vorschlägen des Betriebsrats auseinander zu setzen. Nach Satz 1 hat der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats mit diesem zu beraten. Ist der Arbeitgeber der Ansicht, dass die Vorschläge des Betriebsrats für eine Sicherung oder Förderung der Beschäftigung nicht geeignet sind, hat er dies zu begründen. In Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern hat die Begründung schriftlich zu erfolgen. Zu den Beratungen kann der Arbeitgeber oder der Betriebsrat einen Vertreter des Arbeitsamts oder des Landesarbeitsamts hinzuziehen, in dessen Bezirk der Betrieb liegt (Satz 3). Damit kann erreicht werden, dass zu dem Potenzial an innerbetrieblichem Wissen über Sicherung und Ausbau von Beschäftigung, überbetriebliche Kenntnisse und Erfahrungen, insbesondere über Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie deren Unterstützung durch die Arbeitsverwaltung hinzukommen. Außerdem kann der Vertreter der Arbeitsverwaltung als "neutrale Instanz" bei Meinungsverschiedenheiten der Betriebsparteien hilfreich sein.[4] Durchaus streitig ist, ob dem Betriebsrat zur Vorbereitung eines Beschäftigungssicherungsplans i. S. d. § 92a BetrVG des Weiteren das Recht zuzugestehen ist, einen Rechtsanwalt als Sachverständigen gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG hinzuzuziehen (so ArbG Essen, Beschluss v. 16. 2. 2003, 6 BV 97/03[5]). Ein solcher Anspruch wird zu bejahen sein, soweit schwierige rechtliche Aspekte, insbesondere zu Maßnahmen nach dem SGB III – z. B. Bezug von Strukturkurzarbeitergeld bzw. Transferkurzarbeitergeld – in Rede stehen und noch keine Beratungen zwischen den Betriebspartnern stattgefunden haben, der Betriebsrat jedoch einer Beratung im Vorfeld der Verhandlungen bedarf, um selbst Vorschläge machen zu können. Der Betriebsrat muss sich dann auch nicht darauf verweisen lassen, einen Vertreter des Arbeitsamtes oder des Landesarbeitsamtes hinzuzuziehen.

 

Rz. 6

Die in § 92a BetrVG enthaltenen Regelungen sollen dazu beitragen, dass der Meinungsbildungsprozess im Betrieb zu Fragen der Sicherung und Förderung der Beschäftigung in Gang gehalten wird und der Arbeitgeber sich den Vorsch...

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