Rz. 21

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seinen Unterrichtungspflichten so umfassend und so rechtzeitig während der Planung einer Maßnahme nachzukommen, dass der Betriebsrat auch faktisch in der Lage ist, auf die Pläne des Arbeitgebers zu reagieren, um seine eigenen Vorstellungen in die Beratung mit dem Arbeitgeber einzubringen. Verletzt der Arbeitgeber diese Verpflichtung ständig und wiederholt, begeht er eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 23 Abs. 3 BetrVG mit den sich hieraus für den Betriebsrat ergebenden Durchsetzungsmöglichkeiten (LAG Frankfurt, Beschluss v. 3.11.1992, 5 TaBV 27/92[1]).

 

Rz. 22

Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 90 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG überhaupt nicht nach oder gibt er wahrheitswidrige, unvollständige oder verspätete Auskünfte, so kann gegen ihn nach § 121 BetrVG eine Geldbuße bis zu 10.000 EUR verhängt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 8.4.1982, 5 Ss (Owi) 136/82[2]).

 
Praxis-Beispiel

Der Geschäftsführer einer GmbH erklärt dem Betriebsrat pauschal, die Gesellschaft beabsichtige in der Zukunft neue Maschinen zu erwerben, sobald "Geld vorhanden sei". Einige Zeit später bestellt er tatsächlich neue hydraulische Pressen, ohne jedoch den Betriebsrat über weitere Einzelheiten in Kenntnis zu setzen. Der Geschäftsführer verwirkt eine Geldbuße nach § 121 BetrVG.

 

Rz. 23

Die Voraussetzungen des § 90 BetrVG, d. h. ob die Informations- und Beratungspflichten des Arbeitgebers vorliegen, prüft das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren (§ 2a ArbGG; §§ 80 ff. ArbGG). Entsprechendes gilt für die Durchsetzung der Arbeitgeberpflichten nach § 23 Abs. 3 BetrVG.[3] Soweit ein Arbeitsablauf gegen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse verstößt, vermag der Betriebsrat sich auf das korrigierende Mitbestimmungsrecht des § 91 BetrVG zu berufen. Werden jedoch gleichzeitig oder ausschließlich öffentlich-rechtliche Vorschriften der Arbeitssicherheit verletzt, finden die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Zwangsmaßnahmen Anwendung (z. B. Ordnungsverfügung, Ersatzvornahme, Strafverfolgung etc.).

 

Rz. 24

In Ausnahmefällen ist der Betriebsrat berechtigt, seinen Anspruch auf Unterrichtung und Beratung mithilfe einer einstweiligen Verfügung geltend zu machen. Grundsätzlich hindert § 90 BetrVG den Arbeitgeber nicht an der einseitigen Durchführung einer Maßnahme. Dies gilt selbst dann, wenn die Voraussetzungen des korrigierenden Mitbestimmungsrechts nach § 91 BetrVG vorliegen, da die – wenngleich nur vorläufige – Untersagung der Maßnahme im Ergebnis über den Hauptanspruch – Unterrichtung und Beratung – hinausgehen würde. Jedoch führt die Missachtung der Informationsrechte der Belegschaftsvertretung zu nachteiligen Konsequenzen bezüglich der Kostentragungspflicht für die Einschaltung eines Rechtsanwalts. So hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Kosten der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für die Durchführung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu tragen. Verletzt der Arbeitgeber im Vorfeld seine Informationspflichten nach §§ 80 Abs. 2 Satz 1, 90 Abs. 1, 92 Abs. 1 BetrVG, ist die Entscheidung des Betriebsrates über die Einschaltung eines anwaltlichen Beraters allein auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 16.4.2010, 10 TaBV 2577/09).

 

Rz. 25

Sofern eine vom Arbeitgeber geplante Maßnahme offensichtlich den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit widerspricht und die Arbeitnehmer besonders belastet, wird eine vorläufige Untersagung der vom Arbeitgeber geplanten Maßnahme gem. § 938 ZPO von Teilen des juristischen Schrifttums in Betracht gezogen.[4] Die Ausweitung der Rechte des Betriebsrats mithilfe des vorstehend beschriebenen prozessualen Weges erscheint nicht unbedenklich, da das Beratungsrecht hierdurch eine der § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG vergleichbare Sanktion erhalten würde. Andererseits sollte der Schutz der Arbeitnehmer in derartigen Fallgestaltungen nicht lediglich auf die nachträglichen Sanktionen beschränkt bleiben. Eine vorläufige Untersagung einer vom Arbeitgeber geplanten einseitigen Maßnahme muss deshalb bei offenkundig drohenden erheblichen Belastungen von Arbeitnehmern ausnahmsweise möglich sein. Die Regelung in § 90 i. V. m. §§ 80, 75 BetrVG sowie BDSG begründen indes keinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats, mit dem dieser die "Abschaltung" einer Facebook-Seite des Arbeitgebers verlangen kann.[5] Auf der Grundlage von § 90 BetrVG sind eben nur Beratungsrechte durchsetzbar, zumal kein Recht i. S. d. Vorschrift betroffen war. Denn der Betrieb einer Facebook-Seite des Arbeitgebers betrifft die Planung der dort genannten Angelegenheiten nicht. Der Arbeitgeber hatte lediglich ein neues Werbeforum und Informationsmöglichkeiten für Blutspender eröffnet, um die Reichweite seiner Blutspendeaufrufe zu erhöhen. Das hat mit der Planung von Arbeitsplätzen oder Arbeitsverfahren nichts zu tun.

 

Rz. 26

Der Betriebsrat kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auch die Umsetzung der von...

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