Rz. 7

Durch einen für den Betrieb geltenden Tarifvertrag oder eine freiwillige Betriebsvereinbarung kann in den Fällen, in denen der Betriebsrat nach § 85 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle anrufen kann, die Einigungsstelle durch eine betriebliche Beschwerdestelle ersetzt werden. Dabei kann diese wie im Regelfall die Einigungsstelle entweder jeweils bei Bedarf oder aber als ständige Einrichtung, die dauerhaft als Instrument zur Konfliktlösung zur Verfügung steht, geschaffen werden. Letztere Möglichkeit erscheint allerdings nur für Großbetriebe sinnvoll.

Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung[1] folgt aus der Befugnis zur Errichtung der betrieblichen Beschwerdestelle auch die Kompetenz zur Regelung des Verfahrens der Beschwerdestelle abweichend von der für die Einigungsstelle geltenden Regelung des § 76 Abs. 2 BetrVG.[2] Dies gebietet der Normzweck, das Beschwerdeverfahren so weit als möglich den konkreten betrieblichen Gegebenheiten anzupassen.[3] So können Regelungen geschaffen werden, die eine Anhörung der Beteiligten, eine Vorentscheidung des zuständigen Vorgesetzten oder die Möglichkeit eines Einspruchs bei einem Beschwerdeausschuss vorsehen.

 

Rz. 8

Auch bezüglich der Zusammensetzung der Beschwerdestelle kann eine von § 76 Abs. 2 BetrVG abweichende Regelung getroffen werden.[4] So muss die Beschwerdestelle nicht zwingend nur eine Besetzung mit Beisitzern der Arbeitgeber- und Betriebsratsseite aufweisen.[5] Es ist auch möglich, einen externen Spezialisten für professionelle Konfliktlösungsmethoden (ggf. einen Mediator) in die Beschwerdestelle zu berufen, um auf diese Weise besonderen Sachverstand nutzbar zu machen und die Effektivität des Verfahrens zu erhöhen. Allerdings wird dabei auf einen gleichgewichtigen Einfluss der Betriebspartner zu achten sein[6], um dem Grundprinzip der innerbetrieblichen Konfliktbeilegung nach § 76 BetrVG Rechnung zu tragen.

Streitig ist, ob eine Zuweisung der Kompetenzen im Rahmen eines Tarifvertrags auch auf eine tarifliche Schlichtungsstelle erfolgen kann.[7] Die überwiegende Meinung[8] bejaht diese Möglichkeit, da die Vorschrift die institutionellen Konfliktlösungsmöglichkeiten erweitern und nicht beschränken soll.

 

Rz. 9

Zwar werden die Mitglieder einer betrieblichen Beschwerdestelle nach §§ 78, 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG vor Benachteiligungen wegen ihrer Tätigkeit geschützt, sie besitzen aber allein aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Beschwerdestelle keinen besonderen Kündigungsschutz. Diesen können nur diejenigen in Anspruch nehmen, die bereits als Betriebsratsmitglieder oder sonstige Organmitglieder nach § 15 KSchG besonders geschützt sind.

Sie unterliegen aber in gleicher Weise wie die Mitglieder der Einigungsstelle der Geheimhaltungspflicht des § 79 Abs. 2 BetrVG, deren Verletzung nach § 120 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG strafbar ist.

[1] So etwa Richardi/Thüsing, § 86 BetrVG Rz. 11.
[2] So auch Fitting, § 86 BetrVG Rz. 4; GK-BetrVG/Wiese, § 86 BetrVG Rz. 10.
[3] BT-Drucks. VI/1786 S. 48; GK-BetrVG/Wiese, § 86 BetrVG Rz. 2.
[4] HSWG/Hess, § 86 BetrVG Rz. 4; GK-BetrVG/Wiese, § 86 BetrVG Rz. 9; a. A. Richardi/Thüsing, § 86 BetrVG Rz. 11; HWK/Schrader, § 86 BetrVG Rz. 8.
[5] A. A. Richardi/Thüsing, § 86 BetrVG Rz. 11; GK-BetrVG/Wiese, § 86 BetrVG Rz. 9.
[6] Fitting, § 86 BetrVG Rz. 4.
[7] Ablehnend GK-BetrVG/Franzen § 86 BetrVG Rz. 7; Richardi BetrVG/Thüsing § 86 BetrVG Rz. 10.
[8] Fitting § 86 BetrVG Rz. 5; ErfK/Kania § 86 BetrVG Rz. 1; DKW/Buschmann § 86 BetrVG Rz. 4; HWGNRH/Rose § 86 BetrVG Rz. 8.

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