Rz. 10

§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG enthält bereits vier verschiedene Fälle der Betriebsänderung durch die Kombination von Einschränkung und Stilllegung einerseits und dem Bezug zum ganzen Betrieb oder einer wesentlichen Betriebsabteilung andererseits. Alle vier Fälle des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG sind durch Vergleich der geplanten Änderungen mit dem regelmäßigen Bestand und der regelmäßigen Struktur des Betriebs zu prüfen. Werden nur kurzfristig übernommene Aufgaben wieder eingestellt, so liegt darin keine Betriebsänderung, auch wenn wesentliche Teile der Belegschaft betroffen sind. Das gilt auch für saisonbedingte Schwankungen und Kampagnebetriebe. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Frage, ob eine Betriebsänderung vorliegt, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitgebers.

 

Rz. 11

Unter Stilllegung des Betriebs ist die Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation aufgrund eines ernstlichen und endgültigen Beschlusses des Arbeitgebers zu verstehen. Die Stilllegung darf nicht nur für einen kurzen Zeitraum, muss andererseits allerdings auch nicht für alle Zeiten erfolgen; der Arbeitgeber muss dies vielmehr für eine wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne planen (BAG, Beschluss v. 27.6.1995, 1 ABR 62/94[1]). Die Stellung eines Insolvenzantrages ist als solche kein Betriebsstilllegung (BAG, Beschluss v. 11.11.1997, 1 ABR 6/97[2]), ebenso wenig der Verkauf des Betriebes, denn die Arbeitsverhältnisse gehen dabei nach § 613 Abs. 1 BGB auf den Käufer über (BAG, Urteil v. 14.4.2015, 1 AZR 223/14). Allerdings kann es in Folge einer Betriebsveräußerung durch weitere Maßnahmen des Erwerbers zu Betriebsänderungen kommen.

 

Rz. 12

Unter Einschränkung des Betriebs wird die dauerhafte Herabsetzung seiner Leistungsfähigkeit durch Verringerung der Betriebsmittel verstanden. Kurzarbeit alleine ist keine Betriebsänderung in Form der Betriebseinschränkung, ebenso wenig die geringere Nutzung der Betriebsmittel, z. B. durch verringerte Schichten.

 

Rz. 13

Es muss nicht zwingend der ganze Betrieb betroffen sein. Sowohl die Stilllegung als auch die Einschränkung muss sich nur auf einen wesentlichen Betriebsteil erstrecken. Unter "Betriebsteil" ist eine betriebswirtschaftlich oder organisatorisch abgegrenzte Organisationseinheit zu verstehen, die für den gesamten Betrieb wesentlich sein muss[3]. "Wesentlich" ist der Betriebsteil, wenn in ihm ein erheblicher Teil der Belegschaft des Betriebs beschäftigt wird (BAG, Urteil v. 7.8.1990, 1 AZR 445/90). Es gelten auch hier die Zahlenwerte aus Rz. 9 nach § 17 Abs. 1 KSchG entsprechend (quantitative Betrachtung).

Ein Betriebsteil kann aber auch dann wesentlich sein, wenn er für den gesamten Betrieb von besonderer Bedeutung ist (quantitative Betrachtung), ohne dass die Zahlenstaffel des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht wird (z. B. eine Forschungsabteilung).

Ob ein Betriebsteil dadurch zu einem wesentlichen Betriebsteil werden kann, dass er wirtschaftlich gesehen für den Gesamtbetrieb von erheblicher Bedeutung ist, auch wenn in diesem Betriebsteil nicht ein erheblicher Teil der Belegschaft beschäftigt wird, hat die Rechtsprechung bisher offengelassen (BAG, Urteil. v. 9. 11. 2010, 1 AZR 708/09[4]). Das ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn es sich um einen Betriebsteil handelt, der hinsichtlich des Beitrags zum Unternehmensgewinn von besonderer Bedeutung ist oder der hinsichtlich des Betriebszwecks eine zentrale und nicht nur eine dienende Funktion hat. So hat die Rechtsprechung die Annahme eines wesentlichen Betriebsteils für die bloße Herstellung eines Vorproduktes oder für einen Fuhrpark verneint.

Danach stellt aber die Kündigung der Auszubildenden, auch wenn es zahlenmäßig viele sind, regelmäßig keine Betriebsstilllegung dar, da der Fortbestand von Ausbildungsverhältnissen in der Regel nicht für die Fortführung des Betriebs wesentlich ist (BAG, Urteil v. 30.5.2006, 1 AZR 25/05[5]

).

[1] BB 1996, 1504.
[2] NZA 1998, 723.
[3] Fitting, § 111 BetrVG Rz. 69.
[4] NZA 2011, 466.
[5] NZA 2006, 1122.

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