Rz. 29

Grds. obliegt es dem Arbeitnehmer, das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 KSchG zu beweisen, denn die Anwendbarkeit des KSchG ist eine anspruchsbegründende Tatsache. Ein Teil des Schrifttums und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung[1] will hingegen mit Hinweis auf den Ausnahmecharakter des § 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KSchG insoweit dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast auferlegen.[2] Das BAG hält indes zu Recht an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.[3] Eine Vermutung dafür, dass ein Betrieb mehr als 5 bzw. 10 Arbeitnehmer beschäftigt, gibt es nicht.[4]

 

Rz. 30

Die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers dürfen jedoch nicht überspannt werden, weil dieser i. d. R. keine oder nur eine ungenaue Kenntnis über die Strukturen und Verhältnisse in der Belegschaft hat.[5] Es gilt daher eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer hat zunächst darzulegen, dass nach der Kopfzahl die nach § 23 KSchG maßgebende Zahl der Beschäftigten erreicht ist. Dann hat der Arbeitgeber darzulegen und ggf. zu beweisen, dass aufgrund besonderer Umstände die Kopfzahl allein nicht maßgebend ist. Dementsprechend genügt der Arbeitnehmer regelmäßig seiner Darlegungslast, wenn er die für eine entsprechende Arbeitnehmerzahl sprechenden Tatsachen und ihm bekannten äußeren Umstände schlüssig darlegt.[6] Der Arbeitgeber muss dann nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen solche substanziierten Darlegungen des Arbeitnehmers sprechen[7], z. B. dass diese zufällig seien und regelmäßig – bezogen auf die Vergangenheit und vor allem für die Zukunft – weniger Beschäftigte im Betrieb tätig gewesen wären bzw. wieder sein würden. Zu einem entsprechenden substanziierten Sachvortrag des Arbeitgebers im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast gehört daher insbesondere eine Darstellung über das – zukünftige – betriebliche Beschäftigungskonzept.[8]

 

Rz. 31

Die Darlegung der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG gehört nicht zur Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zur Schlüssigkeit des Sachvortrags. Ihr Fehlen führt demnach nicht zur Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zu deren Unbegründetheit.[9]

[2] Z. B. ErfK/Kiel, § 23 KSchG, Rz. 13; HWK/Quecke, Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2022, § 23 KSchG, Rz. 17; KR/Bader/Kreutzberg-Kowalczyk, § 23 KSchG, Rz. 79 ff.
[4] Ebenso APS/Moll, Kündigungsrecht, § 23, Rz. 84; MüKoBGB/Hergenröder, 9. Aufl. 2023, § 23 KSchG, Rz. 51.
[5] LAG Köln, Urteil v. 18.1.2022, 4 S 329/21, juris; s. auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 8.3.2016, 6 Sa 191/15, BeckRS 2016, 71291.

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