Rz. 14

§ 23 Abs. 1 KSchG ordnet die Geltung der Kündigungsschutzregeln des 1. und 2. Abschnitts für alle Betriebe und Verwaltungen des privaten und öffentlichen Rechts vorbehaltlich der Bestimmungen des § 24 KSchG über Betriebe des Luftverkehrs und der Schifffahrt an.

3.1 Schwellenwert: Mindestzahl an Beschäftigten

 

Rz. 15

Dies gilt mit Ausnahme der §§ 47 KSchG und § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KSchG für die Vorschriften des 1. Abschnitts jedoch nur, sofern die in § 23 Abs. 1 Sätze 2–4 KSchG vorgeschriebene Mindestzahl an Beschäftigten nicht unterschritten wird. Demgegenüber finden die §§ 47 KSchG und § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KSchG sowie der 2. Abschnitt unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten Anwendung (vgl. § 23 Abs. 1 Sätze 1–3 KSchG).[1]

Den Geltungsbereich der restlichen Normen des 1. Abschnitts eröffnet § 23 Abs. 1 Sätze 2–4 KSchG für Betriebe und Verwaltungen mit einer regelmäßigen Beschäftigtenzahl von mehr als 10 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern (exklusive auszubildender Arbeitnehmer i. S. v. § 1 Abs. 1 BBiG, §§ 3 ff. BBiG[2] und wohl auch § 19 BBiG[3]), wenn das Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat.

Für Arbeitsverhältnisse vor dem 31.12.2003 gilt nach § 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KSchG ein abgesenkter Schwellenwert von mehr als 5 Arbeitnehmern. Durch diese Regelung wird für die schon am 31.12.2003 im Betrieb beschäftigten "Alt-Arbeitnehmer" ein unbefristeter Bestandsschutz gewährleistet. Für sie soll der Kündigungsschutz so lange erhalten bleiben, wie ihre Anzahl nicht auf 5 oder weniger absinkt.[4]

Daraus ergeben sich 3 Fallgruppen.[5]:

 

Mindestanzahl an (Vollzeit)Beschäftigten:

  • Sind aktuell in einem Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, findet der 1. Abschnitt für alle Arbeitnehmer Anwendung.
  • Allein auf diesen Schwellenwert von 10 Arbeitnehmern kommt es auch an, wenn am 31.12.2003 5 oder weniger Arbeitnehmer angestellt waren.
  • Waren in einem Betrieb am 31.12.2003 mehr als 5 Arbeitnehmer angestellt, findet der 1. Abschnitt für diese Alt-Arbeitnehmer Anwendung, für ab dem 1.1.2004 eingestellte Arbeitnehmer bleibt es hingegen bei dem aktuellen Schwellenwert von über 10 Arbeitnehmern. Die im "virtuellen Altbetrieb" beschäftigten Alt-Arbeitnehmer behalten den Kündigungsschutz so lange, wie sie selbst dem Betrieb angehören und insgesamt in dem Betrieb weiterhin regelmäßig mehr als 5 Alt-Arbeitnehmer beschäftigt werden.[6]
 

Rz. 16

Bei der Berechnung des abgesenkten Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG zählen nur die Alt-Arbeitnehmer selbst. Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene Alt-Arbeitnehmer werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt.[7] Erforderlich ist außerdem grds. eine nahtlose Beschäftigung der Alt-Arbeitnehmer seit dem 31.12.2003. Unschädlich sind hingegen rein rechtliche Unterbrechungen der Beschäftigungszeit, wenn die Arbeitsverhältnisse ohne zeitliche Unterbrechung aufeinanderfolgen oder wenn die Unterbrechungen verhältnismäßig kurz sind. Insofern können die zur Wartezeit i. S. v. § 1 Abs. 1 KSchG entwickelten Grundsätze auf § 23 Abs. 1 KSchG übertragen werden.[8] Dies gilt auch, wenn die Unterbrechung mit einem Wechsel des Arbeitgebers einhergeht, sofern die Identität des "virtuellen Altbetriebs" und die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu diesem Betrieb gewahrt geblieben sind.

 

Rz. 17

Die Beurteilung beschränkt sich auf den jeweiligen Beschäftigungsbetrieb bei Zugang der Kündigung.[9] Eingerechnet werden grds. alle Arbeitnehmer einschließlich der in § 14 Abs. 2 KSchG, nicht aber der in § 14 Abs. 1 KSchG genannten Personen, die zu diesem Zeitpunkt regelmäßig beschäftigt waren.[10]

[1] Eylert/Rinck, BB 2018, 308, 309.
[2] Nicht erfasst werden ferner die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung, vgl. ErfK/Kiel, § 23 KSchG, Rz. 10; DDZ/Deinert/Callsen, KSchR, 11. Aufl. 2020, § 23 KSchG, Rz. 25; KR/Bader/Kreutzberg-Kowalczyk, § 23 KSchG, Rz. 59; zur Umschulung: BAG, Urteil v. 7.9.1983, 7 AZR 101/82, DB 1984, 355.
[3] APS/Moll, § 23 KSchG, Rz. 46. Für Praktikanten entschieden durch BAG, Urteil v. 22.1.2004, 2 AZR 237/03, NZA 2004, 479, 481: "Betriebspraktika, die nicht in einem Arbeitsverhältnis abgeleistet werden, sind bei der Berechnung des Schwellenwerts nicht zu berücksichtigen"; ähnlich ErfK/Kiel, § 23 KSchG, Rz. 10, der für eine Einbeziehung plädiert, "wenn der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses die Erledigung von Arbeit bildet".
[8] BAG, Urteil v. 23.5.2013, 2 AR 54/12, NZA 2013, 1197, 1199; vgl. Bender/Schmidt, NZA 2004, 358, 359.
[9] BAG, Urteil v. 25.9.1956, 3 AZR 102/54, AP KSchG § 1 Nr. 18.
[10] APS/Moll, § 23 KSchG, Rz. 45; ErfK/Kiel, § 23 KSchG, Rz. 2; Linck/Krause/Bayreuther/Bayreuther, KSchG, 16...

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