Rz. 3

§ 617 BGB setzt voraus, dass der Betroffene zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört, eine Erkrankung vorliegt und dass ihm am Eintritt der Krankheit kein Verschulden trifft.

2.1 Dauerndes Dienstverhältnis

 

Rz. 4

Anspruchsberechtigt sind alle Dienstverpflichteten, die aufgrund eines Dienstvertrags (§ 611 BGB) in einem andauernden, d. h. unbefristeten oder über einen längeren Zeitraum befristeten Dienstverhältnis stehen. Der Dienstverpflichtete muss nicht zwingend Arbeitnehmer sein. Letztlich haben aber wohl lediglich Arbeitnehmer (§ 611a BGB) einen Anspruch; die Verpflichtung auf der Grundlage eines Werkvertrags genügt jedenfalls nicht. Auch freie Dienstvertragsnehmer können sich nicht auf den Schutz berufen, weil diese mit der vom Gesetz geforderten "Eingliederung in den Haushalt" (unten Rz. 6) des Arbeitgebers regelmäßig ihre Selbstständigkeit verlieren.[1] Vorausgesetzt wird eine gesteigerte zeitliche Intensität des Verhältnisses. "Dauernd" ist dieses, wenn es entweder von den Parteien (subjektiv) auf einen längeren Zeitraum angelegt ist oder unabhängig von der Parteivorstellung (objektiv) von längerer Dauer ist.[2] Als Richtwert für die Voraussetzung "längerer Zeitraum" wird ein Zeitraum von 6 Monaten angenommen.[3] Das Dienstverhältnis muss aber nur auf einen längeren Zeitraum "angelegt" sein, d. h. noch nicht dauerhaft bestanden haben, um den Anspruch nach § 617 Abs. 1 Satz 1 zu enthalten.

Es kommt nicht darauf an, ob es sich um ein befristetes oder unbefristetes Dienstverhältnis handelt. Auch mehrere unmittelbar aufeinander folgende Dienstverhältnisse können das Dauerelement erfüllen. Gleiches gilt für kurzzeitig befristete Verträge. Es darf sich nur nicht um eine einmalige Leistung handeln.

[1] MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 617 Rz. 4.
[2] So RG 146, 117; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 617 BGB, Rz. 2.
[3] MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 617 Rz. 5; kritisch hierzu ErfK, Preis, 22. Aufl. 2022, § 617 BGB Rz. 2.

2.2 Erwerbstätigkeit als Haupttätigkeit

 

Rz. 5

Die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers/Dienstverpflichteten muss ihn vollständig oder zumindest hauptsächlich in Anspruch nehmen (BAG Urteil v. 12.7.2006, 5 AZR 277/06 zu § 627 BGB[1]). Steht dieser zugleich in mehreren Dienstverhältnissen, so ist der zeitliche Anteil, den die Erfüllung der jeweiligen Dienstleistungsverpflichtung an der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit ausmacht, maßgebliches Beurteilungskriterium.[2] Es kommt dagegen nicht auf die Höhe der Vergütung sowie das Ausmaß der tatsächlichen Arbeitsleistung[3] an. Vielmehr kann die Haupttätigkeit auch diejenige sein, die in erheblichem Umfang bloße Bereitschaftszeiten umfasst. Vorausgesetzt wird für eine Haupttätigkeit, dass der Zeitanteil mehr als die Hälfte des Gesamtzeitraums in Anspruch nimmt.[4]

[1] NZA 2006, 1094, Rz. 16.
[2] So Staudinger, Oetker, § 617, Rz. 22 f m. w. N.
[3] Vgl. MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 617 Rz. 6 m. w. N.
[4] Zutreffend Staudinger, Oetker § 617, Rz. 22 f.; ebenso ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 617 Rz. 2. Nach HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 617 BGB, Rz. 2 sollen wöchentlich mindestens 15 Stunden genügen.

2.3 Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft

 

Rz. 6

Darüber hinaus muss der Dienstverpflichtete vom Dienstberechtigten in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen worden sein. Die intensive Verpflichtung des Dienstberechtigten/Arbeitgebers wird ausschließlich wegen der Aufnahme in die Wohn- und Verpflegungsgemeinschaft und der damit verbundenen besonderen räumlichen Nähe sowie dem damit gesteigerten personellen Kontext begründet. Außerdem darf der Arbeitnehmer keinen eigenen Hausstand begründen.[1]

 

Rz. 7

§ 617gilt auch, wenn der Dienstverpflichtete/Arbeitnehmer vom Dienstberechtigten/Arbeitgeber in einer von diesem zur Verfügung gestellten Unterkunft untergebracht und dort verpflegt wird.[2] Ob dies auch gilt, wenn der Dienstverpflichtete/Arbeitnehmer zusammen mit anderen Arbeitnehmern in einem Betriebswohnheim untergebracht ist, dort lebt und versorgt wird, ist zweifelhaft, wird von der überwiegenden Meinung aber noch angenommen. Die Grenze des Schutzzwecks der Norm ist dann erreicht, wenn der Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand gründet oder eine eigene Wohnstätte hat und er nur die Verpflegung aus dem Haushalt des Arbeitgebers bezieht.[3]

[1] Staudinger, Oetker, § 617, Rz. 28.
[3] Staudinger, Oetker, § 617, Rz. 28; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 617 BGB Rz. 7.

2.4 Erkrankung

 

Rz. 8

Der Dienstverpflichtete/Arbeitnehmer muss erkrankt sein. Unter einer Erkrankung versteht man (wie im Recht der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand.[1] Auf dessen Ursache kommt es nicht an. Es reicht daher, dass der Arbeitnehmer eine Krankheit im medizinischen Sinne hat, auf Grund derer eine medizinische Behandlung erfolgt. Die Pflicht aus § 617 gilt aber nur für Krankheiten, die nach Vertragsschluss und Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft eintreten.[2] Die Ursache der Erkrankung ist bedeutungslos; es muss insbesondere kein Zusammenhang zwischen der Krankheit und der Dienstleistung bestehen.[3]

[1] Siehe h...

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