Rz. 43

Zu den Sondervergütungen gehören Gratifikation, 13. Monatsgehalt, Jahresabschlussvergütung, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendung.[1] Ihnen allen ist gemein, dass sie nicht regelmäßig mit dem Arbeitsentgelt ausgezahlt, sondern aus bestimmten Anlässen oder zu bestimmten Terminen gewährt werden. Die Sondervergütungen haben grundsätzlich Entgeltcharakter, sodass Schenkungen des Arbeitgebers nur im Einzelfall bei persönlichen unentgeltlichen Zuwendungen anzunehmen sind.[2] Da es eine gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung von Jahressonderzahlungen nicht gibt, bedürfen sie einer besonderen Rechtsgrundlage. Sondervergütungen werden typischerweise durch Tarifvertrag, (freiwillige) BV, arbeitsvertragliche Einzelabreden oder Gesamtzusagen geregelt. Aus den regelmäßigen Zahlungen eines Bonus in Verbindung mit dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers kann sich eine konkludente Einzelabrede ergeben. Eine solche ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil die Zahlung nicht in bestimmter Höhe zugesagt wurde. Eine variable Höhe ist gerade typisch für Sondervergütungen.[3] Sondervergütungen kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG regelmäßig Erfüllungswirkung des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG zu. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie jeden Monat vorbehaltlos und unwiderruflich zeitanteilig geleistet werden.[4] Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber sie ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder sie auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen.[5]

[1] Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 527.
[2] Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 527.
[3] BAG v. Urteil v. 21.4. 2010, 10 AZR 163/09, AP BGB § 151 Nr. 5.

4.5.1.1 Kürzung wegen Fehlzeiten

4.5.1.1.1 Zweck der Sonderzahlung

 

Rz. 44

Eine grundlegende Weichenstellung im Prüfungsraster bildet stets die Frage, ob die Sonderzahlung allein in der Vergangenheit geleistete Dienste entlohnen will (Entgelt im engeren Sinn), oder aber zusätzliche Zwecke verfolgt, wie die Entgeltung von Betriebstreue. Die Rspr. gibt hier keine sicheren Vorgaben. Nicht entscheidend für die Abgrenzung ist die Bezeichnung. Es ist vielmehr der Rechtscharakter der Leistung anhand der zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen zu bestimmen.[1] Eindeutig gegen einen Entgeltcharakter im engeren Sinne und damit gegen eine Kürzung ohne Kürzungsabrede sprechen Rückzahlungs- oder Ausschlussklauseln für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder aber ausdrückliche Kürzungsregeln für nur einzelne Fehlzeiten, nicht aber auch für Streik oder Aussperrung. Ist eine Zahlung demgegenüber ausdrücklich zeitanteilig zu gewähren für den Fall, dass der Arbeitnehmer während des Jahres ausscheidet, spricht dies für einen Entgeltcharakter i. e. S. Anders zu beurteilen ist dies nur, wenn der Anspruch auf anteilige Sonderzahlung im Austrittsjahr bei fristloser Kündigung entfällt, denn die Leistung verfolgt dann zumindest auch den Zweck, den Arbeitnehmer zu einem vertragsgerechten Verhalten zu veranlassen.[2] Ob die Bezeichnung allein als Weihnachtsgeld bereits auf einen zusätzlichen Entlohnungszweck schließen lässt, wird unterschiedlich beurteilt. Richtigerweise dürfte es sich hier – fehlen gegenteilige Hinweise – um Entgelt i. e. S. handeln, denn der bloße Name Weihnachtsgeld bezieht sich allein auf den besonderen Zeitpunkt der Auszahlung.[3]

4.5.1.1.2 Sonderzahlung als Entgelt im engeren Sinne

 

Rz. 45

Bezweckt eine Jahressonderzahlung, allein in der Vergangenheit geleistete Arbeit zu vergüten, stellt sie Entgelt i. e. S. dar: Die Entgeltpflicht entfällt in Höhe des Anteils, der zeitanteilig auf die ausgefallene Arbeitsleistung bezogen ist. Einer besonderen Kürzungsabrede in der Vereinbarung, die der Jahressonderzahlung zugrunde liegt, bedarf es dann nicht. Die Kürzung erfolgt vielmehr aus der Natur der Zahlung: Sie stellt Entgelt dar, das der ausgefallenen Arbeit zugeordnet werden kann und entfällt unabhängig davon, ob es jeden Monat mit dem regulären Gehalt ausgezahlt wird oder am Ende des Jahres zusammengefasst für das ganze Jahr.

 

Rz. 46

In der Rspr. wird diese Unterscheidung nicht in gleicher Deutlichkeit getroffen. Das Schrifttum erkennt sie insbesondere bei der Kürzung einer Sonderzahlung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten. Wird eine Sondervergütung als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung vereinbart, so entsteht für Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wird und auch kein Entgeltfortzahlungsanspruch mehr besteht (z. B. gem. § 3 Abs. 1 EFZG bei Krankheit), auch kein Anspruch auf die Sondervergütung.[1]

 
Praxis-Beispiel

Ein solcher Fall liegt...

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