Rz. 22

Zu der Frage, welche Anforderungen an die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im Kleinbetrieb zu stellen sind, werden zahlreiche Auffassungen vertreten, denen gemein ist, dass die Generalklauseln der §§ 138 und 242 BGB die wesentliche Rolle spielen. Über die Bestimmung der sich aus ihnen ergebenden Folgen für die Wirksamkeit einer Kündigung gehen die Auffassungen teils deutlich auseinander. Sie lassen sich – ohne exakt trennen zu können und ohne den Anspruch der Vollständigkeit – in 2 Gruppen unterteilen.[1]

 

Rz. 23

Einer Gruppe können diejenigen Auffassungen zugeordnet werden, die bei der Prüfung lediglich einen graduellen Unterschied zu den Maßstäben des § 1 Abs. 2 KSchG annehmen, eine inhaltliche Überprüfung aber grds. zulassen:

Nach dem "Prinzip der grundrechtlich gebundenen Kündigungsfreiheit" Oetkers müsse "die grundrechtsgeleitete Interpretation der zivilrechtlichen Generalklauseln sicherstellen, dass der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz nicht ohne sachbezogene und anerkennenswerte Gründe gegen seinen Willen verlieren darf"; die Kündigung sei unwirksam, wenn keine sachbezogenen Gründe vorlägen, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen.[2]Wank will "unter Rückgriff auf die in § 1 KSchG verwandte Schrankentrias" zu einer "abgeschwächten Inhaltskontrolle" gelangen.[3] Die von Lakies geforderten Gründe seien im Prozess vom Arbeitgeber vorzutragen und unterlägen einer "Plausibilitätskontrolle des Gerichts"; der Arbeitgeber müsse seine Auswahlentscheidung nach vernünftigen, sachlichen Gesichtspunkten treffen und billiges Ermessen wahren.[4] Nach Auffassung Ottos unterliegt die Kündigung einer "Rechtsmissbrauchskontrolle gem. § 242", die "solchen verhaltens-, personen- und betriebsbedingten Kündigungen" entgegenwirke, "die bei Anwendung des KSchG evident sozialwidrig wären".[5]Hanau nimmt einen "Kündigungsschutz 2. Klasse" an und hält einen Kündigungsschutz mit dem Inhalt für vertretbar "den Kündigungsgrund plausibel zu machen und die Kündigungsgründe darzulegen".[6]

 

Rz. 24

Eine Gruppe anderer Autoren betont die Nichtanwendbarkeit materiellen Kündigungsschutzes:

Rieble wendet den allgemeinen Gedanken des Diskriminierungsverbots an und folgert daraus das Gebot, Missgriffe des Arbeitgebers wie z. B. die Kündigung wegen politischer Betätigung, Meinungsäußerung oder geschlechtlicher Orientierung zu verhindern.[7] Nach Ansicht Stahlhackes darf nicht über eine allgemeine Grundrechtsabwägung de facto ein Kündigungsschutz konstruiert werden, weil der Gesetzgeber mit der Bestimmung der Ausnahmen des KSchG bereits eine Grundrechtsabwägung vorgenommen habe; zudem würden durch die Kündigungsfreiheit außerhalb des KSchG die Interessen Arbeitsuchender berücksichtigt.[8] Nach Löwisch ist eine Kündigung im Kleinbetrieb nach § 242 BGB nur insoweit anzuwenden, als allgemeine Verstöße gegen Treu und Glauben wie widersprüchliches Verhalten, unangemessene Form der Kündigung oder ihr Einsatz zu vertragswidrigen Zwecken in Betracht kommen; der Zweck der Beschäftigungsförderung sei zu beachten.[9]

[1] Zum Streitstand: Stelljes, Zu Grundlage und Reichweite des allgemeinen Kündigungsschutzes, 2002, S. 31 ff.
[2] ArbuR 1997 S. 41, 51.
[3] Wank, ZIP 1986, S. 206, 210; MünchArbR/Wank, 3. Aufl. 2009, § 1, Rz. 31 ff.
[4] DB 1997 S. 1078, 1082 f.
[5] Festschrift für Wiese, S. 1999, 353, 372, 375.
[6] Die Rechtsprechung zu den Grundrechten der Arbeit, in: Arbeitnehmerinteressen und Verfassung, 1998, S. 89.
[7] Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, 1996, Rz. 963.
[8] Festschrift für Wiese, 1999, S. 513, 525 f. und 532; vgl. auch SPV/Preis, 10. Aufl. 2010, Rz. 237.
[9] BB 1997 S. 782, 787; gegen einen allgemeinen Kündigungsschutz aus Treu und Glauben ferner Annuß, BB 2001, S. 1898, 1901.

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