Rz. 30

Eine Vereinbarung nach Abs. 1 oder Abs. 3 oder ein Schiedsspruch nach Abs. 4 gelten nach dem Umkehrschluss des Abs. 7 zumindest solange, bis sie durch eine geänderte oder neue Vereinbarung oder einen neuen Schiedsspruch wirksam ersetzt werden. Eine Kündigung der Vereinbarung nach Abs. 1 oder Abs. 3 oder eines Schiedsspruchs ist frühestens nach einem Jahr möglich (Abs. 7 Satz 1). Jede Vertragspartei kann die jeweilige Vereinbarung oder den Schiedsspruch kündigen; während der Kündigungszeit bis zum Wirksamwerden einer neuen Vereinbarung bzw. eines neuen Schiedsspruchs gelten die bisherige Vereinbarung oder der festgesetzte Schiedsspruch weiter. Diese Geltungsdauer bezieht sich auf den Regelfall und gewährleistet, dass der Erstattungsbetrag, der nach langwierigem Prozess vereinbart oder festgesetzt worden ist, für einen längeren Zeitraum Bestand hat, sodass die erhofften Einsparziele realistischerweise erreicht werden können.

Eine vorzeitige Kündigung ist möglich, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss für das neue Arzneimittel einen neuen Beschluss zur Nutzenbewertung bzw. zur Kosten-Nutzen-Bewertung veröffentlicht oder wenn die Bedingungen für die Bildung einer Festbetragsgruppe erfüllt sind. Diese Fakten können die Grundlage der Vereinbarungen nach Abs. 1 oder 3 verändern, sodass die Kündigung der Vereinbarung vor Ablauf eines Jahres gerechtfertigt ist.

 

Rz. 31

Nach einem Schiedsspruch kann jede Vertragspartei beim Gemeinsamen Bundesausschuss beantragen, für das betreffende Arzneimittel eine Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b durchzuführen. Solange der Gemeinsame Bundesausschuss diese Bewertung nicht vorgenommen hat, gilt der mit dem Schiedsspruch festgesetzte Erstattungsbetrag weiter. Liegt der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Kosten-Nutzen-Bewertung des Arzneimittels vor, muss der Erstattungsbetrag auf der bisherigen Verfahrensgrundlage neu vereinbart oder bei Nichteinigung durch die Schiedsstelle neu festgesetzt werden.

Mit Wirkung zum 1.4.2020 sind auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit in Abs. 7 die Sätze 4 bis 8 angefügt worden, die sich auf die Geltungsdauer des Erstattungsbetrages bei Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen beziehen. Nach der Begriffsbestimmung in § 2 der vom BMG erlassenen "Verordnung über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach § 35a Abs. 1 SGB V für Erstattungsvereinbarungen nach § 130b SGB V (Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung – AM-NutzenV)" v. 28.12.2010, zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung v. 9.8.2019, sind Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen solche Arzneimittel, die Wirkstoffe enthalten, deren Wirkungen bei der erstmaligen Zulassung in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt sind. Ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff i. S. dieser Verordnung gilt solange als ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff, wie für das erstmalig zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Unterlagenschutz besteht.

Durch Abs. 7 Satz 4 ist klargestellt, dass der vor Wegfall des Unterlagenschutzes zuletzt geltende vereinbarte Erstattungsbetrag nach Abs. 1 oder festgesetzte Erstattungsbetrag nach Abs. 4 für das erstmalig mit dem Wirkstoff zugelassene Arzneimittel auch nach Wegfall des Unterlagenschutzes für alle Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff gilt. Der Erstattungsbetrag bildet dann nach § 78 Abs. 3 AMG den Höchstpreis, sodass die im Wettbewerb stehenden pharmazeutischen Unternehmer das Arzneimittel auch zu einem Betrag unterhalb des Erstattungsbetrages abgeben können. Nach der Gesetzesbegründung war die Klarstellung erforderlich, weil nicht eindeutig geregelt war, welche Auswirkungen der Ablauf des Unterlagenschutzes auf den Erstattungsbetrag hat und alle vor 2012 zugelassenen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen in absehbarer Zeit ihren Unterlagenschutz verlieren werden.

Mit Abs. 7 Satz 5 ist geregelt, dass die Vereinbarung oder der Schiedsspruch über einen Erstattungsbetrag ungeachtet des Wegfalls des Unterlagenschutzes des erstmalig zugelassenen Arzneimittels entsprechend fortgelten, soweit und solange noch Patentschutz nach den §§ 16, 16a des Patentgesetzes besteht. Der bisherige Verweisfehler auf Satz 1 ist mit Wirkung zum 23.5.2020 durch die Angabe "Satz 4" korrigiert worden. In dieser besonderen Konstellation ist es nach der Gesetzesbegründung sachgerecht, dass auch vereinbarte und festgesetzte Vertragsinhalte nach Abs. 1a (z. B. mengenbezogene Staffelung oder jährliches Gesamtvolumen) und die Vereinbarung einer Praxisbesonderheit im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach §§ 106 bis 106c (vgl. Abs. 2 der Vorschrift) weiterhin zur Anwendung kommen, da es während der Patentlaufzeit des Wirkstoffes des erstmals zugelassenen Arzneimittels für Wettbewerber nicht möglich ist, ein Generikum auf den Markt zu bringen. Falls im Einzelfall erforderlich, können der pharmazeutische Unternehmer und der GKV-Spitzenverband die Vereinbarungen in diesem klar abgegrenzten Zeitraum auch an sich...

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