Rechtsgrundlage

SGB V §§ 173-177 Vorbemerkung

Das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) v. 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) hatte mit Wirkung vom 1.1.1996 die bisher bestehende Zuständigkeitsverteilung der Krankenkassen grundlegend umgestaltet. War das System der Zuständigkeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung bislang durch strikte gesetzliche Zuweisungen der Mitglieder bestimmt, welche nur durch die Mitgliedschaft in einer Ersatzkasse ersetzt werden konnten, gibt das GSG dieses Verhältnis von gesetzlicher Zuweisung und Wahl einer Krankenkasse (so die Terminologie des SGB V seit dem Gesundheitsreformgesetz — GRG) auf und stellt (fast) allen Versicherungspflichtigen frei, von welcher Krankenkasse sie ihre Pflichtmitgliedschaft durchführen lassen wollen. Diese Umkehrung wird durch die Änderung der Überschrift des Zweiten Abschnitts verdeutlicht, die zuerst die Wahl einer Krankenkasse (Erster Titel) und dann die verbliebenen gesetzlichen Zuständigkeiten (Zweiter Titel) nennt.

Diese Abkehr von dem System der gesetzlichen Zuständigkeiten wurde aus Gründen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20, 28 GG) und der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) für erforderlich gehalten. Insbesondere Arbeiter waren in der Regel zwingend Mitglieder von Ortskrankenkassen und hatten bei gleichen Leistungen Beiträge nach höheren Beitragssätzen zu zahlen als Angestellte, denen die Wahl einer Angestelltenersatzkasse offen stand. (Siehe BVerfG, Beschluss v. 8.2.1994 — 1 BvR 1237/85 —, Die Beiträge 1994 S. 405, das im Hinblick auf die Maßnahmen des GSG diese ungleichen Beitragssätze noch für verfassungsgemäß ansah. Darüber hinaus sollte mit der Wahlfreiheit auch Wettbewerb zwischen den Krankenkassen ermöglicht werden. Dabei wurde zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen der Risikostrukturausgleich (§ 266) eingeführt, der zusammen mit organisationsrechtlichen Veränderungen durch Vereinigungen von Krankenkassen zu einer Nivellierung der Beitragssätze geführt hat. Echte Wettbewerbsbedingungen bestanden und bestehen jedoch nicht, denn die Leistungen und im Wesentlichen auch die Beitragsgrundlagen werden durch die Gesetze vorgegeben.

Die Wahlrechte gehen von den bestehenden unterschiedlichen Krankenkassen (Orts-, Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen) aus, die grundsätzlich als wählbare Krankenkassen in Betracht kommen, jedoch nicht mehr Mitglieder zugewiesen bekommen. Die Versicherungspflichtigen und Versicherungsberechtigten haben vielmehr die Möglichkeit, im Rahmen der §§ 173 ff. zu bestimmen, bei welcher Krankenkasse sie Mitglied sein möchten. Damit können sie die Zuständigkeit des Krankenversicherungsträgers, nicht jedoch die Krankenversicherungspflicht, selbst bestimmen, so dass durch die Wahlrechte willensbezogene gewillkürte Zuständigkeiten entstehen.

Mit dem Wegfall der gesetzlichen Zuständigkeiten entfiel auch die Notwendigkeit, die Ortskrankenkassen als Basis- oder Auffangkassen in ihrem Bestand zu erhalten, so dass nunmehr auch Ortskrankenkassen geschlossen werden können (§ 146a) und die Neuerrichtung von Betriebs- und Innungskrankenkassen nicht mehr unter dem Vorbehalt steht, dass deren Errichtung den Bestand von Ortskrankenkassen nicht gefährden darf (§ 147 Abs. 1 Nr. 3, § 157 Abs. 2 Nr. 3 i.d.F. des GRG). Bei den Ersatzkassen wurde die bisher zum Schutz von Ortskrankenkassen bestehende Beschränkung des aufnahmeberechtigten Personenkreises auf Arbeiter oder Angestellte aufgehoben (vgl. § 168), so dass für alle Versicherungspflichtigen und Beitrittsberechtigten der Zugang zu jeder Ersatzkasse möglich ist.

Eingeschränkt ist der Zugang zu Betriebs- oder Innungskrankenkassen, die nur von Beschäftigten oder ehemaligen Beschäftigten der Betriebe oder als Krankenkasse des Ehegatten gewählt werden können. Diese Krankenkassen haben jedoch die Möglichkeit, sich für alle Versicherungspflichtigen und Beitrittsberechtigten zu öffnen, indem dies in der Satzung vorgesehen wird (§ 173 Abs. 2 Nr. 4). Die Betriebskrankenkassen verlieren dadurch ihre Betriebsbezogenheit und können dann nicht mehr auf Veranlassung des Arbeitgebers oder wegen betrieblicher Veränderungen aufgelöst oder geschlossen werden.

Ausgenommen von den Wahlrechten sind grundsätzlich die Versicherungspflichtigen, die als Beschäftigte oder Selbständige unter die Zuständigkeit der Bundesknappschaft, der See-Krankenkasse oder der landwirtschaftlichen Krankenkassen fallen. Für diese Personen gilt nach wie vor die zwingende gesetzliche Zuständigkeit, durch die einerseits der Bestand dieser Krankenkassen gesichert werden soll und andererseits den Besonderheiten des versicherten Personenkreises Rechnung getragen wird. Zur Sicherung des Bestandes sind durch das Gesetz zur Stabilisierung des Mitgliederkreises von Bundesknappschaft und See-Krankenkasse v. 19.4.2000 (BGBl. I S. 571) mit Wirkung ab 27.4.2000 die Bundesknappschaft und See-Krankenkasse zusätzlich jedoch zu Wahlkassen für begrenzte Personenkreise gemacht worden (vgl. Komm. §§ 176, 177).

Durch den Wegfall der gesetzlichen Zuständigkeiten entst...

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