Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. nichtselbstständige Erwerbstätigkeit. Einkommensermittlung. im Bemessungszeitraum erarbeitetes Arbeitsentgelt. kein tatsächlicher Zufluss im Bezugszeitraum. arbeitsgerichtlich zugesprochener Entgeltanspruch nicht ausreichend

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der modifizierten Zuflusstheorie und der gefestigten Rechtsprechung des BSG ist nicht nur das dem Berechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossene, sondern auch das darin erarbeitete und erst nach dessen Ablauf infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Arbeitsentgelt aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit bei der Ermittlung der Höhe des Elterngeldes zugrunde zu legen. Bloße Entgeltansprüche genügen nicht (vgl BSG vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R = BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6).

2. Jedenfalls nach Ablauf des (hier sogar verlängerten) Bezugszeitraums von Elterngeld war eine endgültige Festsetzung durch die Behörde angezeigt. Ist das im Bemessungszeitraum erwirtschaftete Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit den Betroffenen auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugeflossen, kommt eine Berücksichtigung für die Berechnung des Elterngeldes (hier im Rahmen der endgültigen Festsetzung) nicht mehr in Betracht.

3. Eine Prägung des Lebensstandards der Betroffenen im gesetzlich definierten letzten wirtschaftlichen Bemessungszeitraum scheidet nach Ablauf des Elterngeldbezugszeitraums von hier 22 Monaten aus. Elterngeld kann im Falle eines noch späteren Einkommenszuflusses seine Einkommensersatzfunktion nicht mehr erfüllen.

 

Orientierungssatz

Die Titulierung des Lohnanspruchs des Elterngeldberechtigten durch das Arbeitsgericht reicht insoweit nicht aus.

 

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 01. April 2016 wird abgelehnt.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.Die Antragstellerin wendet sich im vorliegenden Einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Erstattungsforderung nach endgültiger Festsetzung von Elterngeld.

Nach der Geburt der Tochter A am 25. November 2013 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner Elterngeld für die ersten 12 Lebensmonate (LM) des Kindes, wobei ab dem 3. LM des Kindes der halbe Monatsbetrag ausgezahlt werden soll. Die Antragstellerin war zuvor ab dem 01. November 2011 nichtselbständig erwerbstätig. Ab Dezember 2012 war die Klägerin in einem anderen Salon beschäftigt und erzielte ein wechselndes Bruttoeinkommen von monatlich ca. 1.450 EUR. Ab März 2013 erhielt die Antragstellerin bis zum Eintreten des gesetzlichen Beschäftigungsverbotes sechs Wochen vor der Geburt (Mutterschutz) am 16. Oktober 2013 keinen Lohn von ihrer Arbeitgeberin. Die Klägerin machte die Lohnansprüche gegen die Arbeitgeberin in Höhe von monatlich 1.571,23 EUR beim zuständigen Arbeitsgericht geltend. Zwischen den Arbeitsvertragsparteien war zudem ein Kündigungsrechtsstreit anhängig. Die Antragstellerin bezog in der Zeit vom 16. Oktober 2013 bis 22. Januar 2014 Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse.

Mit Bescheid vom 29. Januar 2014 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückzahlung gemäß § 8 Abs. 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) für den 2. LM 42,84 EUR und für die LM 3 bis 12 monatlich 664,01 EUR auf der Grundlage der tatsächlich erzielten Erwerbseinkünfte (Oktober 2012 bis Februar 2013) und der gerichtlich geltend gemachten Lohnansprüche für die Zeit vom 01. März bis 31. Oktober 2013 in Höhe von monatlich 1.571,23 EUR. Der Antragsgegner zahlte die vorläufig bewilligten Leistungen antragsgemäß ab dem 3. LM um die Hälfte gekürzt und bis zum 22 LM an die Antragstellerin aus (332,01 EUR bzw. 332,00 EUR).

Das Arbeitsgericht Stralsund verurteilte die Arbeitgeberin der Antragstellerin mit Versäumnisurteil vom 11. Februar 2014 zur Zahlung der geltend gemachten Arbeitsvergütung. Die Antragstellerin teilte dem Antragsgegner mit, dass die ehemalige Arbeitgeberin die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt hat und Vollstreckungsmaßnahmen gegen die ehemalige Arbeitgeberin mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 04. Februar 2014 untersagt worden sind. Die Sicherungsmaßnahmen hob das Amtsgericht Hamburg mit Beschluss vom 08. April 2014 wieder auf. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 23. Juni 2014 mit Bescheid vom 07. August 2015 Insolvenzgeld in Höhe von 2.157,40 EUR für den Zeitraum vom 23. Oktober 2013 bis 22. Januar 2014. Auf Anfrage teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner am 29. März 2016 schriftlich mit, dass die ehemalige Arbeitgeberin trotz mehrfacher Anforderungen keine Gehaltsabrechnungen erstellt hat und der Antragstellerin kein offenes Gehalt auszahlen werde.

Der Antragsgegner setzte mit Bescheid vom 01. April 2016 die Höhe des Elterngeldes für den 2. LM in Höhe von 22,48 EUR und für die LM 3 bis 12 in Höhe von monatlich 34...

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