Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Förderung aus dem Vermittlungsbudget. Übernahme von Fahrt- und Übernachtungskosten für ein Vorstellungsgespräch. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Ermessensnichtgebrauch im Ausgangsverwaltungsakt. materielle Rechtswidrigkeit. Nachholung der Ermessensausübung im Widerspruchsbescheid

 

Leitsatz (amtlich)

War bei der Entscheidung über einen Antrag Ermessen auszuüben, macht ein Ermessensnichtgebrauch einen Bescheid materiell rechtswidrig. Die Nachholung der Ermessensausübung im Widerspruchsbescheid ist dann nicht nach § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X sondern nach § 95 SGG zu beurteilen. In der Konsequenz kann in diesem Fall der Widerspruchsführer keinen Aufwendungsersatz für die notwendigen Aufwendungen der Rechtsverfolgung aus § 63 Abs 1 S 2 SGB X verlangen.

 

Orientierungssatz

Die Übernahme von Fahrt- und Übernachtungskosten für ein Vorstellungsgespräch gemäß § 16 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 iVm § 44 SGB 3 kommt nicht in Betracht, wenn der Arbeitsuchende in einem Vorstellungsgespräch lediglich prüfen will, ob nach Durchführung einer von ihm angestrebten Weiterbildung abstrakt eine Beschäftigung bei dem Gesprächspartner in Betracht kommen kann.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Beklagte hat der Klägerin außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenentscheidung in dem Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2018.

Die Klägerin steht laufend bei dem Beklagten im Grundsicherungsbezug.

Mit Schreiben vom 16. November 2017 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme von Fahrtkosten für ein Vorstellungsgespräch am 14. Dezember 2017, 15 Uhr, beim Informationsbüro der Deutschen Akademie der Kultur und Bildung (DAKB) in Penehagen als Selbstfahrerin (722,4 km von Mainz entfernt) und 30 Euro Übernachtungskosten (Bl. 4 d. VA). Sie gab an, kein eigenes Auto zu haben.

Das Gespräch fand am 14. Dezember 2017 statt (Bl. 11 d. VA).

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. Januar 2018 die Kostenübernahme ab. Gemäß Eingliederungsvereinbarung vom 10. Juni 2016 bestehe kein Anspruch auf Geltendmachung von Reisekosten und Übernachtungskosten. Eine von beiden Beteiligten unterschriebene, anderslautende Vereinbarung liege nicht vor. Er habe bei Entscheidung pflichtgemäßes Ermessen ausgeübt.

Hiergegen wandte sich die Klägerin, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, mit dem Widerspruch vom 22. Februar 2018 (Bl. 16 d. VA). Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt worden. Der Beklagte habe allein darauf abgestellt, dass die Fahrtkostenübernahme nicht in der Eingliederungsvereinbarung geregelt war. Dies sei aber nicht nötig.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2018 zurück. Die im Widerspruchsverfahren ggf. entstandenen notwendigen Aufwendungen könnten nicht erstattet werden (Bl. 21 d. VA). Nach einer ermessenslenkenden Weisung könnten Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen nur im Nahbereich übernommen werden. Die Zielsetzung einer Arbeitsaufnahme im Nahbereich sei auch in der letzten Eingliederungsvereinbarung so vereinbart worden. Das Vorstellungsgespräch sei aber auch schon deswegen nicht notwendig gewesen, da über eine mögliche Arbeitsaufnahme nach einer nicht absolvierten Ausbildung gesprochen worden sei. Die Klägerin habe die Fahrtkostenübernahme nicht vor Antritt mit dem Beklagten geklärt. Die Kostenübernahme sei aber auch schon deswegen nicht möglich, da die Klägerin die Kosten nicht belegt habe. Ermessensfehler ließen sich im Widerspruchsverfahren heilen.

Die Klägerin hat am 5. Juni 2018 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass aufgrund geheilter fehlerhafter Ermessensausübung der Beklagte zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren notwendigen Aufwendungen verpflichtet gewesen sei.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2018 dahingehend abzuändern, als der Widerspruchsgegners die Rechtsanwaltskosten zu übernehmen hat und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als notwendig anerkannt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Rechtslage sei einfach gewesen und ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu klären. Die Klägerin sei erfahren in der Anfechtung von Bescheiden. Das Vorstellungsgespräch sei nicht für eine Integration in den Arbeitsmarkt geeignet gewesen, da die Klägerin die notwendige Qualifikation für die Stelle tatsächlich nicht gehabt habe. Dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid eine ausführlichere Begründung gegeben habe, habe nicht zu einem teilweisen Erfolg des Widerspruchs geführt.

Er bezieht sich auf den Inhalt der Verwaltungsakte und des Widerspruchsbescheids.

Das Gericht hat die Beteiligten am 31. August 2018 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Der Beklagte war hiermit einverstanden. Die Klägerin hat sich dazu nicht geäußert. Ihr ging die Anhörung am 5. September 2018 zu.

Wegen der übrigen Einzelheiten d...

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