Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Erlass von Beitragsschulden. Inanspruchnahme von Sachleistungen im Nacherhebungszeitraum

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf Beitragserlass gem § 256a SGB V ist nicht per se ausgeschlossen, wenn eine nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V gesetzlich krankenversicherte Person im Nacherhebungszeitraum Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Wege der Sachleistung in Anspruch genommen hat.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 01.11.13 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2014 verpflichtet, dem Kläger die für den Zeitraum 14.08.2010 bis 31.03.2013 erhobenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung einschließlich hierauf entfallender Säumniszuschläge, und Mahngebühren zu erlassen.

Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt den Erlass von Beitragsschulden.

Der Kläger, dem das Jobcenter Berlin Charlottenburg/Wilmersdorf aufgrund eines Antrags vom Mai 2010 seit Juli 2010 durchgehend darlehensweise und vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch / Zweites Buch (SGB II) gewährt, war vom 01.08. bis 13.08.2010 auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) bei der Beklagten krankenversichert. Am 14.08.2010 suchte er eine Arztpraxis auf, die ihm für den Zeitraum 14.08. bis 28.08.2010 Arbeitsunfähigkeit attestierte. Am 11.04.2013 zeigte der Kläger der Beklagten an, seit dem 14.08.2010 nicht krankenversichert zu sein.

Mit Bescheid vom 06.05.2013 teilte die Beklagte dem Kläger den Versicherungsbeginn ab 14.08.2010 und die Höhe der ab Januar 2013 zu zahlenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung mit. Gleichzeitig setzte sie für den Zeitraum 14.08.2010 bis 31.03.2013 einen Nachzahlbetrag in Höhe von insgesamt 4.584,84 € fest.

Mit Schreiben vom 10.07.2013 beantragte der Kläger die Reduzierung der Beitragsschulden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.11.2013 unter Hinweis darauf ab, der Kläger habe im Nacherhebungszeitraum Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung in Anspruch genommen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Ablehnung des Beitragserlasses nicht auf eine einmalige Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen im Nacherhebungszeitraum gestützt werden könne. Dieser Umstand sei im Gesetz nicht vorgesehen und erst vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) eingeführt worden. Die Regelung erscheine nicht sachgerecht. Zumindest habe vorgesehen werden müssen, dass eine Erstattung möglich ist, wenn der Versicherte die entstandenen Kosten der ärztlichen Inanspruchnahme erstattet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Gesetzgeber habe die Ausgestaltung der näheren Voraussetzungen des Beitragserlasses dem GKV-Spitzenverband übertragen. Dieser habe den Regelungsauftrag mit den Einheitlichen Grundsätzen zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden vom 04.09.2013 erfüllt. Danach schließe jegliche Inanspruchnahme von Leistungen im Nacherhebungszeitraum den Beitragserlass aus.

Mit der am 05.06.2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Zur Begründung der Klage macht er geltend, das Gesetz selbst regele den Fall einer Leistungsinanspruchnahme in Form einer Krankschreibung nicht. Es ermächtige den GKV-Spitzenverband nur, den Erlass der Beiträge von einem Verzicht des Versicherten auf die Inanspruchnahme von Leistungen abhängig zu machen. Der Fall, dass Leistungen bereits in Anspruch genommen worden seien, sei im Gesetz nicht geregelt. Es liege eine Gesetzeslücke vor, die nur so geschlossen werden könne, dass der Beitragserlass zu gewähren sei, wenn der Versicherte die in Anspruch genommene Leistung erstatte. Der Kläger sei beim Aufsuchen des Arztes davon ausgegangen, dass er aufgrund des Bezugs von SGB II-Leistungen krankenversichert sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2014 zu verpflichten, dem Kläger die im Zeitraum 14.08.2010 bis 31.03.2013 erhobenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie hierauf entfallender Säumniszuschläge und Mahngebühren zu erlassen.

Die Beklagte und die beigeladene Pflegekasse beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid. In dem parallel rechtshängig gemachten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verwies die Beklagte zudem auf die Ergebnisniederschrift Fachkonferenz Beiträge vom 19.11.2013, in deren Top4 ausdrücklich geregelt sei, dass jegliche Leistungsinanspruchnahme im Nacherhebungszeitraum den Beitragserlass ausschließe.

Das Gericht hat den GKV-Spitzenverband im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu der von der Beklagten in Bezug genommenen Ergebnisniederschrift befragt. Der GKV-Spitzenverband hat mitgeteilt, dass die Fachkonferenz Beiträge ein Gremium des GKV-Spitzenverbands sei, in dem Fragen ...

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