Rz. 8h

Die umweltbezogenen (Rz. 8f) und die "person"-bezogenen Kontextfaktoren (Rz. 8g) können sich letztendlich auf den Rehabilitationsverlauf und die Teilhabe

  • negativ (z. B. Migrations-/Sprachprobleme, fehlende Teilzeitarbeitsplätze, das Suchtverhalten fördernde Bezugspersonen, mangelnde Motivation, sonstige Barrieren) oder
  • positiv (z. B. Förderfaktoren wie gute Unterstützungsbereitschaft der Familienangehörigen, gute Ausbildung, noch jung, behindertengerechte Wohnung bereits vorhanden)

auswirken. Daher sind bei der Beurteilung der funktionalen Gesundheit eines Menschen stets seine positiven oder negativen Kontextfaktoren zu berücksichtigen. Die umwelt- und personbezogenen Kontextfaktoren können somit die Partizipation/Teilhabe fördern oder erschweren bzw. unmöglich machen (z. B. fehlender Wille, sich gesundheitlich zu verändern). Besteht zwar ein grundsätzliches Reha-Potenzial, das jedoch aufgrund der individuellen Kontextfaktoren nicht ausschöpfbar ist, besteht keine Reha-Fähigkeit.

 

Beispiel 1:

Ein Mann leidet seit 20 Jahren unter Alkoholabhängigkeit. Sein Körper ist inzwischen sehr in Mitleidenschaft gezogen. Neben zeitweise länger andauernden Funktionsausfällen leidet er auch unter beginnender Demenz. Wegen der Abhängigkeit sind seine Aktivitäten in der Gesellschaft erheblich gestört. Unterstützung erfährt er lediglich durch seine getrennt lebende Ehefrau, die noch zu ihm hält und dafür sorgt, dass er seine kleine 2-Zimmer-Wohnung nicht wegen finanzieller Gründe räumen muss und somit obdachlos wird. Er ist jedoch nicht einsichtig und bezeichnet sich als gesund. Eine Rehabilitationsleistung möchte er nicht, da es nach seiner Auffassung vollkommen in Ordnung sei, wenn man "gegen den Durst trinkt".

Lösung:

Wegen der Störung der Aktivitäten und der unzureichenden Partizipation gilt der Mann als behindert. Wegen der fehlenden Krankheitseinsicht (Einstellung) wird der Rehabilitationserfolg zum jetzigen Zeitpunkt nicht erreicht werden. Ggf. sind erst andere Maßnahmen einzuleiten (z. B. Motivationsbehandlung), damit mit einer positiven Rehabilitationsprognose gerechnet werden kann.

 

Beispiel 2:

Eine alleinstehende, herzkranke 96-jährige Frau wohnt in einer hügeligen Landschaft. Um zu ihrer Wohnung zu gelangen, muss sie die letzten 50 Meter eine starke Steigung über Treppen bewältigen. Wegen ihrer geringen körperlichen Belastbarkeit kann sie ihre benötigten Lebensmittel nicht mehr eigenständig einkaufen und sich auch nicht mehr mit Freundinnen treffen.

Lösung:

Die herzkranke Frau ist in ihrer Möglichkeit zur Teilhabe ("Aktivitäten") eingeschränkt mit der Folge, dass sie nach dem Modell der ICF und als behinderter Mensch i. S. d. § 2 Abs. 1 gilt. Es muss jetzt abgewogen werden, ob medizinische Rehabilitationsleistungen sinnvoll sind oder ob durch einen Wechsel der Wohnung

  • die Aktivitäten des täglichen Lebens in dem gewohnten Rahmen wieder möglich sind und
  • die Partizipation (Beteiligung, Teilhabe, Teilnahme, Mitwirkung, Mitbestimmung, Mitsprache, Einbeziehung) wie gewohnt wieder erreicht werden kann.

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