0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wurde mit Wirkung zum 1.1.2018 der bisherige § 61 zu § 34. Die Norm entspricht inhaltlich weiterhin dem bisherigen § 61 (BT-Drs. 18/9522 S. 253). Lediglich der Wegfall der gemeinsamen Servicestellen nach den §§ 22, 23 SGB IX a. F. wurde redaktionell angepasst. Ursprungsnormen waren § 124 Abs. 2 und Abs. 3 und § 125 BSHG, welche mit Inkrafttreten des SGB IX weiterentwickelt und zusammengefasst worden sind (BT-Drs. 14/5074 S. 111).

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Norm hat die Aufgabe, Sorgeberechtigte (Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer) bei der Verantwortung für die ihnen anvertrauten Menschen zu unterstützen, so dass diese schnell Zugang zum Leistungskatalog des SGB IX und damit zur richtigen Rehabilitationsleistung finden. Die Vorschrift ergänzt § 33, indem nach Abs. 1 eine Beratungs- und Informationspflicht für Ärzte sowie nach Abs. 2 eine allgemeinere Hinweispflicht für medizinisches Personal, Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter besteht, wenn Sorgeberechtigte ihnen anvertraute Menschen vorstellen und eine Behinderung i. S. v. § 2 Abs. 1 vermutet oder festgestellt wird. Damit soll einmal das Fachwissen der Berufsgruppen genutzt werden, um Menschen mit einer (drohenden) Behinderung eine optimale Teilhabe zu ermöglichen oder im günstigsten Fall eine Behinderung zu verhüten. Zugleich wird diesen Berufsgruppen eine gesteigerte Beratungs- und Fachkompetenz abverlangt aufgrund ihres Fachwissens. Es wird keine genaue Diagnose sowie die sofortige zielführende Rehabilitationsleistung als Beratungs- bzw. Informationsinhalt nach § 34 gefordert, sondern lediglich der Hinweis auf eine Beratungsstelle nach § 32 zur weiteren Feststellung des Rehabilitationsbedarfes bzw. bei Ärzten auf geeignete Leistungen zur Teilhabe. Der breite Berufsgruppenansatz steht nicht im Widerspruch zum abverlangten Beratungs- bzw. Informationsinhalt gegenüber den Sorgeberechtigten, denn es besteht ein gestuftes System zwischen Beraten, Hinweisen und Informieren, je nach Berufsgruppe.

Der Abs. 3fordert medizinisches Personal und Sozialarbeiter auf, Empfehlungen gegenüber Sorgeberechtigten zu geben, wenn diese für volljährige Personen verantwortlich sind.

2 Rechtspraxis

2.1 Pflichten der Ärzte (Abs. 1)

 

Rz. 3

Abs. 1 Satz 1 beschreibt ganz allgemein den Inhalt der Beratung von Ärzten gegenüber Sorgeberechtigten, wenn ihnen eine Person i. S. d. § 33 vorgestellt wird. Die Beratung soll nicht nur dann erfolgen, wenn Sorgeberechtigte im Zusammenhang mit einer (drohenden) Behinderung einen Arzt aufsuchen, sondern auch dann, wenn sie selbst eine solche (drohende) Behinderung während ihrer Anamnese bzw. Untersuchung feststellen. Die Beratung ist auf die geeigneten Leistungen zur Teilhabe zu richten, d. h. auf alle in §§ 4 ff. genannten Sozialleistungen zur medizinischen Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen i. S. d. § 5. Die besondere Rolle der Ärzte liegt darin, dass sie im Gegensatz zu den anderen genannten Berufsgruppen in § 34 eine Beratungspflicht haben. Die Beratungspflicht geht regelmäßig, bezogen auf Umfang und Tiefe, über eine Hinweispflicht nach Abs. 2 oder eine Empfehlung nach Abs. 3 hinaus. Welche Rehabilitationsleistungen dann tatsächlich in Frage kommen, obliegt jedoch dem Rehabilitationsträger. Dabei hat der Leistungsträger jedoch das nach § 8 Abs. 1 bestehende Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten bzw. des Sorgeberechtigten zu beachten.

Die Beratung durch Ärzteerstreckt sich nicht nur auf ärztliche Maßnahmen, sondern auch auf andere Leistungen, die der Eingliederung dienen können. Bestandteil der Beratung ist die Pflicht des angegangenen Arztes, auf die Möglichkeit der Beratung durch eine Beratungsstelle für Rehabilitation gemäß § 32 hinzuweisen. Diese Hinweispflicht obliegt dem Arzt ebenso bei Menschen, bei denen der Eintritt einer Behinderung nach allgemeiner ärztlicher Erkenntnis zu erwarten ist. Dies sind alle von einer Behinderung bedrohten Menschen i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 3. Besonders hohe Anforderungen an eine spezielle fachliche Kompetenz von Ärzten sind hierdurch an deren Wahrnehmungsfähigkeit nicht gestellt.

 

Rz. 4

Neben der Pflicht, die Personensorgeberechtigten auf das Beratungsangebot der Beratungsstellen für Rehabilitation hinzuweisen, obliegt den Ärzten auch die Pflicht, werdende Eltern auf ihren Beratungsanspruch bei den Schwangerschaftsberatungsstellen hinzuweisen. Bei diesen Stellen handelt es sich um anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen i. S. des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz – SchKG) v. 27.7.1992 (BGBl. I S. 1398). Mit dieser Rechtspflicht soll der Arzt auf eine Beratung hinweisen, die Schwangerschaftsabbrüchen entgegenwirkt. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass eine Behinderung des ungeborenen Kindes niemals zu einer Mi...

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