2.1 Landesrahmenverträge (Abs. 1 und 2)

2.1.1 Regelungsziel

 

Rz. 6

Ziel der Regelung in den Abs. 1 und 2 ist es, einen Rahmen für den Abschluss landesweit einheitlicher Grundsätze des Vertragsrechts zu geben. Damit wird eine weiter zurückliegende Tradition aufgegriffen, um Bedingungen, die für alle Verträge gelten sollen,"vor die Klammer" zu ziehen (vgl. LSG Hessen, Urteil v. 25.2.2011, L 7 SO 237/10 KL, Rz. 50, Sozialrecht aktuell 2011 S. 117; Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 79 Rz. 3). Damit werden letztlich die Verhandlungen der konkreten Verträge zwischen Trägern der Eingliederungshilfe und Leistungserbringern erleichtert.

Landesrahmenverträge dienen auch dazu, programmatische Vorgaben umzusetzen. Ein Beispiel ist die massive "Ambulantisierungspolitik" durch den Landesrahmenvertrag Hamburg, in dem Rahmenbedingungen zur entsprechenden Ausrichtung der Vereinbarungen nach § 125 vorgegeben werden (z. B. besondere Vergütungszuschläge bei Teilnahme an sozialräumlichen Weiterentwicklungskonzepten), vgl. Bericht von Gitschmann, NDV 2011 S. 294, 298 ff.

2.1.2 Vertragsparteien

 

Rz. 7

Vertragsparteien sind alle in dem jeweiligen Land beteiligten Träger der Eingliederungshilfe (örtliche und ggf. überörtliche Träger) sowie die Vereinigungen der Leistungserbringer. Zu den Vereinigungen der Leistungserbringer gehören nicht nur die in der Landesliga der Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege, sondern auch die auf Landesebene gebildeten Vereinigungen privatgewerblicher Leistungsanbieter (Münder, in: LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 79 Rz. 4). Eine Unterscheidung zwischen Vereinigungen, die nur Leistungserbringer für stationäre (ab 1.1.2020 neue Wohnformen, vgl. § 125 SGB XII) oder ambulante Leistungen vertreten, ist grundsätzlich nicht möglich, kann jedoch je nach Regelungsgegenstand der Rahmenvereinbarungen relevant werden.

Die in Abs. 1 Satz 2 vorgesehene Ermächtigung zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen durch Kirchen oder Religionsgemeinschaften (fakultative Vertragspartner, vgl. Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 79 Rz. 25), denen der Leistungserbringer zuzuordnen ist, läuft faktisch leer, da jedenfalls für die evangelische und katholische Kirche aufgrund kirchengesetzlicher Regelung Leistungserbringer in deren Trägerschaft Mitglieder des Diakonischen Werkes oder des Caritasverbandes und damit eines Wohlfahrtsverbandes sind (vgl. Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 79 Rz. 8). Jedenfalls sollten die Träger der Eingliederungshilfe auch diese fakultativen Vertragspartner über Verhandlungen zu einem Landesrahmenvertrag informieren (weitergehend Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 80, Rz. 27 "Pflicht der Repräsentanten der Sozialhilfeträger zur Anfrage bei den fakultativen Vertragsparteien"). Im Übrigen soll mit dieser Regelung dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften bzw. einem vergleichbaren Selbstverständnis freigemeinnütziger Träger Rechnung getragen werden (Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 79 Rz. 8).

Eine Vereinigung der Leistungserbringer muss nicht zwingend ein Landesverband sein, der für eine landesweite Mitgliedschaft offen steht. Es reicht auch eine regional begrenzte Vereinigung, etwa ein Diözesan-Caritasverband für ein Bistum (vgl. Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 76, Rz. 7).

Die Anweisung in Abs. 1, dass die Landesrahmenverträge gemeinsam und einheitlich abzuschließen sind, lässt eine Mehrheitsentscheidung nicht zu. Jeder einzelne nach Abs. 1 potentielle Teilnehmer hat damit ein faktisches Vetorecht am Zustandekommen einer Rahmenvereinbarung (VG Hannover, Urteil v. 28.3.2006, 3 A 541/03, Rz. 82, Sozialrecht aktuell 2006 S. 140).

Abs. 1 könnte zwar nahelegen, dass eine Pflicht zum Abschluss eines Landesrahmenvertrages besteht. Da jedoch die Träger der Eingliederungshilfe primär als Vertragspartei adressiert werden, korrespondiert das mit einer Pflicht zum Versuch des Abschlusses von Landesrahmenverträgen (Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 79 Rz. 29). Ob aus dieser Einleitungspflicht ein Anspruch auf Aufnahme bzw. Einleitung von Vertragsverhandlungen abgeleitet werden kann, der zudem im Wege der allgemeinen Feststellungsklage (§ 55 SGG) einklagbar sein soll (so Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 80, Rz. 30), ist zweifelhaft.

2.1.3 Mitwirkung von Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen (Abs. 2)

 

Rz. 8

Erstmals (auch im Vertragsrecht des allgemeinen Sozialhilferechts ab 1.1.2020, § 80 Abs. 2 i. d. F. des Art. 13 BTHG) regelt Abs. 2, dass die durch Landesrecht bestimmten maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen bei der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge mitwirken. Näheres regelt der Bundesgesetzgeber nicht, so dass den Ländern ein weiter Ausgestaltungsspielraum im Hinblick auf Quantität und Qualität der Beteiligung zukommt. Ein Vetorecht am Zustandekommen eines Landesrahmenvertrages kommt den Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen jedenfalls nicht zu.

Bayern sieht im Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung zum Bayerischen Teilhabegesetz I (BayTHG I) v. 1.8.2017, Drs. 17/18388 Bay.L...

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