Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auszahlung der Geldleistungen. Ablehnung der Eröffnung eines Bankkontos. Kostenabzug für Postscheck. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. keine Aufrechnung oder Verrechnung. eigenständiges Rechtsinstitut. Anhörung. Beweislast. Kausalitätslehre

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Regelung iS von § 42 S 2 SGB 2 handelt es sich weder um eine Aufrechnung noch um eine Sonderform der Aufrechnung, eine Sonderform der Verrechnung oder eine Sonderform der Anrechnung, sondern um ein eigenständiges Rechtsinstitut.

2. Bei einer Entscheidung über einen Kostenabzug nach § 42 S 2 SGB 2 handelt sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

3. Vor dem Erlass einer Entscheidung über einen Kostenabzug nach § 42 S 2 SGB 2 kann gem § 40 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 24 Abs 2 Nr 2 SGB 10 von einer Anhörung abgesehen werden.

4. Die Rechtmäßigkeit eines Kostenabzuges nach § 42 S 2 SGB 2 setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte die Übermittlung verlangt oder eine Leistungserbringung durch Überweisung nicht möglich ist, weil er über kein Bankkonto verfügt, dass ein Ausnahmefall nach § 42 S 3 SGB 2 nicht nachgewiesen und durch die Übermittlung tatsächlich Kosten verursacht worden sind.

5. Maßgebend ist bei einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Kostenabzuges nach § 42 S 2 SGB 2 die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

6. Für die ihn nach § 42 S 3 SGB 2 begünstigenden Tatbestandsvoraussetzungen trägt nach den allgemeinen Regeln der Leistungsberechtigte die materielle Beweislast.

7. Wenn es ein Leistungsberechtigter unterlässt, überhaupt die Einrichtung eines Kontos zu beantragen, liegt keine Unmöglichkeit einer Kontoeröffnung vor.

8. Die Kostenfreiheit der Übermittlung von Geldleistungen bedeutet nur, dass lediglich die bei dem Leistungsträger entstehenden Überweisungs- und Verwaltungskosten nicht auf den Leistungsempfänger abgewälzt werden können. Hingegen hat der Leistungsempfänger eine etwaige Kontoführungsgebühr oder durch die Abhebung der Leistung anfallende Buchungsgebühr selbst zu tragen.

9. Für die Frage, welche Kosten iS von § 42 S 2 SGB 2 verursacht sind, ist auf die Kausalitäts- oder Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung zurückzugreifen.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich dagegen, dass ihm die durch die Auszahlung von Arbeitslosengeld II per Scheck entstehenden Kosten abgezogen werden.

Der 1957 geborene, erwerbsfähige Kläger bezieht seit 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Im Erstantrag gab er keine Kontonummer an. Er legte im Zusammenhang mit dem Erstantrag Bescheinigungen der Volksbank Leipzig sowie der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG vom 25. November 2005 vor, wonach er kein Konto erhalte.

Nachdem der Kläger am 15. November 2011 einen Fortzahlungsantrag gestellt und der Beklagte ihn daraufhin zur Vorlage von Vermögensnachweisen aufgefordert hatte, reichte der Kläger am 5. Dezember 2011 das Formular Anlage VM ein, in dem erneut keine Kontonummer angegeben war.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Monate Januar 2012 bis Juni 2012.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 forderte der Beklagte den Kläger auf, einen Nachweis über die Gewährung eines P-Kontos (Pfändungsschutzkonto) vorzulegen. Auf das Erinnerungsschreiben vom 5. Januar 2012 erklärte der Kläger am 12. Januar 2012, dass er nicht bereit sei, sich um ein P-Konto zu kümmern. Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom selben Tag mit, dass die Leistungen ab dem 1. Februar 2012 “per Scheck mit Gebühren„ angewiesen würden. Nach den Angaben des Beklagten im Berufungsverfahren handelt es sich um einen Postscheck (Zahlungsanweisung zur Verrechnung), der nur bei der Postbank eingelöst werden kann. Die Kosten betragen 2,10 EUR als Grundentgelt sowie abhängig von der Höhe des Auszahlungsbetrages eine zusätzliche Gebühr. Das Grundentgelt wird sofort von der Geldleistung abgezogen. Die zusätzliche Gebühr wird bei der Einlösung einbehalten.

Der Kläger stellte am 14. Mai 2012 einen Fortzahlungsantrag, auf den hin ihm mit Bescheid vom 18. Mai 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Monate Juli 2012 bis Dezember 2012 bewilligt wurden.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 1. November 2012 Widerspruch “gegen den monatlichen Abzug von 5 €„  ein. Der Beklagte verwarf diesen mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2012 als unzulässig, weil es sich bei dem  Schreiben vom 12. Januar 2012 nicht um einen Verwaltungsakt handle.

Der Kläger hat am 3. Dezember 2012 Klage erhoben. Der Entzu...

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