Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Entsendung. Sozialversicherungspflicht ungarischer Werkvertragsarbeitnehmer. 1997-2003. SozSichAbk HUN. Entsendebescheinigung D/H 101. offensichtliche Unrichtigkeit. keine Bindungswirkung gegenüber deutschen Behörden. Entsendebegriff nach ungarischem Recht. Weiterbeschäftigung beim ursprünglichen Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die aufgrund des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über soziale Sicherheit, BGBl 1999 II, Seite 902ff; juris-Abk: SozSichAbk HUN) erteilte D/H 101 Bescheinigung entfaltet im Falle einer offensichtlichen Unrichtigkeit für deutsche Behörden und deutsche Gerichte keine Bindungswirkung und führt nicht zu einer Befreiung von der inländischen Sozialversicherungspflicht.

2. Die Voraussetzungen einer Entsendung sind im deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommen nicht eigenständig definiert.

3. Soweit man Art 7 des Abkommens die Maßgeblichkeit der ungarischen Rechtsvorschriften entnimmt, ist auch nach der ungarischen Legaldefinition des Entsendebegriffs in § 105 ArbGB Ungarn zumindest eine Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer bei ihrem Arbeitgeber nach Abschluss der Tätigkeit im anderen Vertragsstaat erforderlich.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.06.2010; Aktenzeichen B 2 U 4/10 B)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19.8.2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 171.079,90 Euro festgesetzt.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht der Klägerin sowie deren Heranziehung zur Zahlung von Beiträgen und Säumniszuschlägen auf Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für die von ihr in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer.

Die Klägerin, die in der Bundesrepublik Deutschland keine selbständige Zweigniederlassung unterhält, ist eine in der Rechtsform mit einer GmbH vergleichbare Gesellschaft ungarischen Rechts (Kft) mit Sitz in B . Sie ist seit dem 27.5.2004 die Rechtsnachfolgerin der Firma I . Zu ihrem Geschäftszweck gehört die Vermittlung ausschließlich ungarischer Arbeitnehmer aus dem Fleischerhandwerk an deutsche Schlachtereien und Fleischverarbeitungsunternehmen.

Nach Eingang einer Unfallmeldung leitete die Beklagte im Jahr 2000 Ermittlungen zur Geschäftstätigkeit der Klägerin ein. Diese ergaben, dass die Klägerin bei deutschen Firmen auf der Grundlage der "Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Ungarischen Volksrepublik über die Entsendung ungarischer Arbeitnehmer aus in der Ungarischen Volksrepublik ansässigen Unternehmen zur Beschäftigung auf der Grundlage von Werkverträgen vom 3.1.1989" (im Folgenden: deutsch-ungarisches Werkvertragsabkommen; BGBl 1989 Teil II, Seite 245) und des am 1.5.2000 in Kraft getretenen Gesetzes zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über soziale Sicherheit (im Folgenden: deutsch-ungarisches Sozialversicherungsabkommen, BGBI 1999 II, Seite 902) ungarische Arbeitnehmer aufgrund kontingentierter Werkverträge in der Bundesrepublik Deutschland für wechselnde Einsatzorte befristet für die Dauer von maximal 24 Monaten eingesetzt hatte.

Zu den Betriebsverhältnissen in Ungarn und der Anzahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer machte die Klägerin keine Angaben.

Von der zuständigen ungarischen Sozialversicherungsbehörde, der Nationalen Kasse für Gesundheitsversicherung (OEP), wurden aufgrund des deutsch-ungarischen Entsendeabkommens D/H 101-Bescheinigungen ausgestellt, wonach die Arbeitnehmer ausschließlich dem ungarischen Sozialversicherungsrecht unterfielen.

Mit Bescheid vom 11.12.2001 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit als Unfallversicherungsträger für das klägerische Unternehmen ab dem 27.10.1996 fest und veranlagte die Klägerin nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Gefahrtarif zum Gewerbezweig "Ausbeinerei/Zerlegerei" und zur Gefahrklasse 23,0 und für die Zeit ab dem 1.1.2001 zur Gefahrklasse 17,8.

Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag zog die Beklagte die Klägerin aufgrund einer Schätzung zu Beiträgen für das Jahr 1996 (26.178,14 DM) heran.

Die gegen die Bescheide vom 11.12.2001 am 23.1.2002 erhobenen Widersprüche begründete die Klägerin damit, sie habe im Jahr 1996 keine Tätigkeit in der Bundesrepublik entfaltet. Erst im Januar 1997 seien 4 Arbeitnehmer zur Ausführung des Werkvertrages zum Einsatz gebracht worden. Im Übrigen sei die Zuständigkeit der Beklagten nicht gegeben, da ihre Arbeitnehmer ausschließlich der ungarischen Sozialversicherung unterfielen.

Mit Bescheid vom 21.7.2004 hob die Beklagte den angefochtenen Beitragsbescheid für das Jahr 1996 auf. Sie forderte von der Beklagten erneut die Beantwortung der gestellten Fragen und die Vorlage der angeforderten Unterlagen. Die Klägerin verwies auf die Bindungswirkung der erteilten En...

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