Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvermittlung. allgemeine Unterrichtung. Internetportal der BA. Deaktivierung des Benutzerkontos. virtuelles Hausrecht. Ausschluss des Vermittlungsangebotes durch Nutzungsbestimmung. prostitutionsnahe Tätigkeit. Verwaltungsakt. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Bundesagentur für Arbeit ist als Betreiberin eines Internetportals ("Jobbörse") berechtigt, Benutzerkontos zu deaktivieren, wenn diese gegen die Nutzungsbedingung, wonach Angebote/Vermittlungen in Stellen im prostitutionsnahen bzw Prostitutionsgewerbe (hier: Bar- bzw Empfangsdame) von der Vermittlung ausgeschlossen sind, verstoßen.

2. Bei der Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über die Deaktivierung eines Benutzerkontos handelt es sich um einen Verwaltungsakt.

3. Der Ausschluss der Vermittlung in die Prostitution bzw den prostitutionsnahen Bereich unterstützenden Tätigkeiten verstößt nicht gegen die Berufsfreiheit sondern schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 08.09.2015 - S 5 AL 406/14 - aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Deaktivierung ihres in dem Online- Bewerberportal der Beklagten JOBBÖRSE geführten Benutzerkontos. Des Weiteren begehrt sie die - erneute - Einstellung ihres Stellenangebots vom 03.06.2014 in das Portal.

Zum Zeitpunkt der Deaktivierung des Benutzerkontos der Klägerin hat diese eine Bar (“L Bar„; Öffnungszeiten während der Woche 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr, am Wochenende 20:00 Uhr bis 9:00 Uhr) sowie ein ganztätig geöffnetes Erotik-Etablissement (“L Girls„), in welchem Prostituierte als Selbständige sexuelle Leistungen gegen Entgelt an Dritte anbieten und erbringen, betrieben. Die Klägerin stellte den Prostituierten entsprechend der zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarung ua ausgestattete Räume einschließlich Service-Leistungen gegen Entgelt zur Verfügung. Die Bar und das Erotik-Etablissement sind durch eine Tür, die ab 20:00 Uhr geöffnet ist, miteinander verbunden.

Die Beklagte betreibt das Online-Bewerberportal JOBBÖRSE. Die Nutzungsbedingungen enthalten ua folgende Regelungen:

Einleitung

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erfüllt für die Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen und Institutionen umfassende Dienstleitungsaufgaben für den Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Zur Erfüllung dieser Dienstleistungsaufgaben steht bundesweit ein flächendeckendes Netz von Arbeitsagenturen und Geschäftsstellen zur Verfügung.

§ 1 Nutzung des Portals unter www.arbeitsagentur.de

(1) Zur Nutzung des Portals ist jede natürliche oder juristische Person berechtigt. ….

§ 2 Registrierung als Nutzer

(1) Die Nutzung von bestimmten Angeboten und Services erfordert eine vorherige Registrierung als Nutzer.

(2) Eine Registrierung kann erst erfolgen und ist nur dann zulässig, wenn der Nutzer diese Nutzungsbedingungen und die Datenschutzerklärung gelesen und sein Einverständnis erklärt hat. Anschließend erfolgt die Weiterleitung auf die Registrierungsseite. Hier müssen bestimmte Angaben (zB Name, Anschrift, Geburtsdatum) hinterlegt sowie ein Benutzername und ein selbst gewähltes Kennwort eingegeben werden. ….

§ 12 Unzulässige Angebote

(1) …

(2) Insbesondere dürfen folgende Angebote bzw Veranstaltungen nicht in das Portal eingestellt werden:

1. Angebote/Veranstaltungen, die gegen geltende Rechtsvorschriften oder die guten Sitten bzw behördliche Verbote verstoßen oder Rechte Dritter beeinträchtigen (zB Mindeststandardbedingungen, Mindestlöhne, Lohnuntergrenzen, sittenwidrige Lohnangebote, Diskriminierungsverbote, Vorschriften des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb, des Urheberrechtsgesetzes, des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes oder des Glücksspielstaatsvertrages),

2. Angebote/Veranstaltungen, die erotische Dienstleistungen bewerben, Mitarbeiter für Stellen im erotischen/erotiknahen/pornografischen/Prostitutions- oder prostitutionsnahen Gewerbe suchen, gegen die guten Sitten oder die Menschenwürde verstoßen (zB Angebote für Telefonerotik, …), …

§ 13 Maßnahmen und Schadensersatz

(1) Bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen ist die Bundesagentur für Arbeit berechtigt, entsprechende Angebote bzw Veranstaltungen ohne Benachrichtigung des Nutzers sofort zu löschen, den Zugang zum Portal vorübergehend oder dauerhaft zu sperren und die aktive Sitzung zu unterbrechen.

(2) - (4)

Die Klägerin eröffnete bei der Beklagten ein Benutzerkonto und versuchte am 03.06.2014 folgenden Vermittlungsauftrag einzustellen: “Zuverlässige Empfangsdame/Thekenpersonal für Erotik-Etablissement in Speyer gesucht; Aufgaben: Empfang, Hauswirtschaft, Ausschank; Arbeitszeit: abends und nachts;   Teil-/Vollzeitstelle (unbefristet) oder Aushilfe„. Zu den Rahmenbedingungen ist angegeben: “Unbefristet, Arbeitszeiten: Vollzeit, Teilzeit-Schicht, Teilzeit-Abend, Nachtarbeit, Wochenende; 12-...

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