Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherungspflicht. Pflegeperson. Ermittlung des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit. Mindeststundenzahl. Berücksichtigung von über die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung hinausgehenden ergänzenden Pflegeleistungen

 

Orientierungssatz

Bei der Bemessung der Mindestpflegezeit im Rahmen der Feststellung der Rentenversicherungspflicht einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson gem § 3 S 1 Nr 1a SGB 6 iVm § 19 S 2 SGB 11 ist auch die Zeit, die für ergänzende Pflege, Betreuung sowie zur Hilfe bei der Erfüllung kommunikativer Bedürfnisse des Pflegebedürftigen benötigt wird, einzubeziehen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.05.2010; Aktenzeichen B 12 R 9/09 R)

 

Tenor

1.

Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.11.2007 sowie die Bescheide der Beklagten vom 06.01.2005 und 20.12.2004 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11.05.2005 und 15.04.2005 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin zu 1) im Zeitraum vom 22.08.2001 bis 30.09.2004 und der Kläger zu 2) im Zeitraum vom 27.11.2001 bis 30.09.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI versicherungspflichtig waren.

2.

Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen.

Die 1924 geborene Mutter der Klägerin zu 1) und Schwiegermutter des Klägers zu 2), A K (Pflegebedürftige) bezieht seit dem 22.08.2001 von der Beigeladenen eine Kombination aus Sachleistungen und Pflegegeld unter Zuordnung zur Pflegestufe II gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Pflegeversicherung - (SGB XI). Im hier streitigen Zeitraum wurde sie von dem ambulanten Pflegedienst G der die tägliche Ganzkörperwäsche und das Anziehen übernahm, sowie darüber hinaus von der Klägerin zu 1) (22.08.2001 bis 30.09.2004) und von dem Kläger zu 2) (27.11.2001 bis 30.09.2004) im wöchentlichen Wechsel in ihrer eigenen Wohnung gepflegt.

Die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB XI beruhte auf einem sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherer Rheinland-Pfalz (MDK) vom 22.10.2001. Die Pflegebedürftige hat am 21.07.2001 einen Schlaganfall erlitten und war zum Zeitpunkt der Begutachtung in keinster Weise in der Lage, die aktuelle Situation zu verstehen. Während der gesamten Begutachtung lief sie ständig in der Wohnung umher. Es bestanden ausgeprägte apraktische Störungen. Die Pflegebedürftige zeigte sich ablehnend und unkooperativ bei Pflegetätigkeiten. Aufgrund von Verwirrtheitszuständen der Pflegebedürftigen war eine psychosoziale Betreuung rund um die Uhr erforderlich. Als pflegebegründende Diagnosen werden eine Demenz, ein Apoplex sowie eine Harninkontinenz genannt. Der tägliche Pflegebedarf beträgt nach dem Ergebnis des Gutachtens 206 Min. (Körperpflege: 105 Min., Ernährung: 8 Min., Mobilität: 22 Min., Hauswirtschaft: 71 Min.). Von diesem wöchentlichen Pflegeaufwand von 24 Stunden wurden 3,5 Stunden wöchentlich vom Pflegedienst geleistet. Im Gutachten wird zusätzlich darauf hingewiesen, dass in Anbetracht der Diagnosen mit einem Anstieg des Pflegebedarfes wenigstens längerfristig gerechnet werden müsse.

Die Beigeladene entrichtete für die Klägerin zu 1) sowie ab dem 27.11.2001 auch für den Kläger zu 2) Rentenversicherungsbeiträge für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen an die Beklagte. Mit Schreiben vom 16.11.2001 bzw. 10.12.2001 wurden die Kläger hiervon unterrichtet.

Mit Schreiben vom 19.11.2004 teilte die Beigeladene den Klägern mit, durch eine interne Überprüfung sei festgestellt worden, dass die Beiträge zur Rentenversicherung zu Unrecht entrichtet worden seien. Eine Versicherungspflicht habe nicht bestanden, deshalb sei man verpflichtet, die Verwaltungsakte vom 16.11.2001 bzw. 10.12.2001 aufzuheben. Nach dem MDK-Gutachten liege nur eine Pflegebedürftigkeit von 24 Stunden in der Woche vor. Hiervon habe der Pflegedienst 3,5 Stunden übernommen. Der für die Kläger verbleibende Pflegeaufwand habe somit ca. 21 Stunden betragen. Da die Pflege jeweils zu gleichen Teilen durchgeführt worden sei, betrage die wöchentliche Pflegezeit 10,5 Stunden. Erforderlich seien jedoch 14 Stunden pro Woche. Sie werde die Beiträge für die streitigen Zeiten beim Rentenversicherungsträger geltend machen. Dies erfolgte sodann mit Schreiben an die Beklagte vom 30.11.2004 und 17.12.2004.

Die Kläger teilten der Beigeladenen daraufhin mit, mit dieser Entscheidung seien sie nicht einverstanden. Ihnen sei telefonisch zugesichert worden, dass die Zahlung zur sozialen Absicherung nicht rückgängig gemacht werde. Man habe sich auf die Fachkompetenz der Mitarbeiter der Beigeladenen verlassen. Der Beigeladenen sei auch mitgeteilt worden, dass die Pflege im wöchentlichen Wechsel erfolge (somit 21 Stunden wöchentlich). Eine andere zeitliche R...

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