Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Anspruchsberechtigung. Begriff des Haushalts. auf Dauer angelegtes Zusammenleben. berufsbedingte Abwesenheit eines Entwicklungshelfers. überwiegender Aufenthalt am Einsatzort weit entfernt von der Familie. keine Bindungswirkung der Bejahung eines gemeinsamen Haushalts im Kindergeldrecht

 

Orientierungssatz

1. "Haushalt" iS des § 1 Abs 1 S 1 Nr 2 und Abs 2 S 2 BEEG ist eine Familiengemeinschaft, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Fürsorge und Zuwendung) darstellt, wobei sich diese Merkmale überschneiden können, keines davon jedoch gänzlich fehlen darf (vgl BSG vom 4.9.2013 - B 10 EG 4/12 R = SozR 4-7837 § 1 Nr 5).

2. Rechtlich prägend für den Haushaltsbegriff des BEEG ist, dass dieser auf eine gewisse Dauer und nicht nur auf ein vorübergehend angelegtes Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft bzw Wohnung angelegt ist (vgl BSG vom 9.5.2017 - B 10 EG 23/16 B).

3. Ist ein Entwicklungshelfer innerhalb der ersten 14 Lebensmonate des Kindes an nur 52 Tagen bei seiner Familie und die übrige Zeit an seinem Einsatzort in einem anderen Land gewesen, kann nicht von einem auf Dauer angelegten Haushalt am Familienwohnsitz gesprochen werden.

4. Die Bejahung eines gemeinsamen Haushalts nach § 2 Abs 1 Nr 1 BKGG 1996 für das steuerrechtliche Kindergeld entfaltet keine Bindungswirkung für die Auslegung des Haushaltsbegriffs nach § 1 Abs 2 S 2 BEEG.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 04.06.2020 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Elterngeld (EG).

Die 1980 geborene Klägerin beantragte am 18.10.2018 bei der Stadtverwaltung Trier die Gewährung von EG für ihren am 2017 in P , Südafrika, geborenen gemeinsamen Sohn T . Sie wohnte damals in P und lebt inzwischen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist seit dem 22.12.2017 mit Dr. J G , ihrem Prozessbevollmächtigten, verheiratet. Dieser ist in T geboren, hat die deutsche Staatsangehörigkeit und ist als Entwicklungshelfer für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig. Vom 01.04.2015 bis zum 31.05.2017 war er in Südafrika und vom 12.11.2017 bis zum 15.02.2020 in Äthiopien eingesetzt. Seit dem 01.04.2020 ist er als Inlandsmitarbeiter der G in E tätig. Er gab im EG-Antragsformular die Adresse seiner Eltern in M an. Polizeilich gemeldet in Deutschland war er zuletzt in T  . Diese Anschrift wurde am 22.01.2018 nach    A   A   (Äthiopien) abgemeldet.

Die Eheleute beantragten am 18.10.2018 die Gewährung von Basis-EG für die Klägerin in den ersten 14 Lebensmonaten des am 07.12.2017 geborenen Sohnes T . Sie gaben an, dass T ständig im Haushalt der Klägerin bzw. vom 07.12.2017 bis zum 15.02.2020 zeitweise auch mit dem Ehemann der Klägerin in einem Haushalt lebe. Der Sohn werde in entsprechendem Umfang von beiden betreut und erzogen. Die Klägerin werde im Bezugszeitraum voraussichtlich kein Einkommen erzielen. Im Haushalt in Südafrika lebe noch die am 2006 geborene Tochter B der Klägerin/Stieftochter des Ehemannes.

Mit an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 18.12.2018 lehnte die Stadt T den Antrag auf EG mit der Begründung ab, dass der Vater in Äthiopien berufstätig  sei und dort lebe, die Klägerin und ihr Sohn jedoch in Südafrika. Daher bestehe keine gemeinsame häusliche Gemeinschaft im Sinne von „§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BEEG“.

Am 17.01.2019 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie darauf, dass alle vier Bedingungen des § 1 BEEG entweder von ihrem Ehemann oder ihr selbst erfüllt würden. Zwar habe ihr Ehemann keinen Wohnsitz in Deutschland (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BEEG). Dies sei jedoch gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BEEG unschädlich, weil er als Entwicklungshelfer tätig sei. Die übrigen drei Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG erfülle sie persönlich. Im Übrigen sei § 1 Abs. 5 BEEG zu beachten, da die Betreuung aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden könne. Ein Umzug der Klägerin mit ihrem Sohn nach Äthiopien sei zurzeit nicht möglich. Die Familie plane nach dem Auslandsaufenthalt nach Deutschland zu ziehen. Die Bundesregierung habe eine allgemeine Fürsorgepflicht gegenüber dem Ehemann der Klägerin nach dem Entwicklungshelfergesetz (EfhG).

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2019 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Grundsätzlich sei ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland Voraussetzung für einen Anspruch auf EG. Eine Ausnahme bestehe für im Ausland tätige Entwicklungshelfer (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BEEG) und deren in einem Haushalt lebenden Partner (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BEEG). Ein Anspruch der in Südafrika lebenden Klägerin bestehe somit nicht, da ihr Ehemann als Entwicklungshelfer in Äthiopien tätig sei. Eine häusliche Gemeinschaft bestehe daher nicht.

Die...

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