Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Verfügbarkeit eines Schülers bzw. Studenten zur Bewilligung von Arbeitslosengeld

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Widerlegung der Vermutung der fehlenden Verfügbarkeit einer Schülerin im Überprüfungsverfahren.

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld hat u. a. nach § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB 3 die Verfügbarkeit des Arbeitslosen zur Voraussetzung.

2. Bei Schülern und Studenten wird nach § 139 Abs. 2 SGB 3 vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können und damit nicht verfügbar sind. Zur Widerlegung muss der Schüler bzw. Student nachweisen, dass der Ausbildungsvorgang die Ausübung einer mindestens 15-stündigen wöchentlichen Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Ausbildungsanforderungen zulässt.

3. Hierzu muss er konkrete, einfach überprüfbare und objektivierbare Tatsachen vortragen.

4. § 139 Abs. 2 S. 2 SGB 2 stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der amtlichen Sachaufklärungspflicht dar. Bei unterbliebener Darlegung zur konkreten Ausbildungsgestaltung durch den Schüler bzw. Studenten besteht keine weitergehende Sachaufklärungspflicht durch den Versicherungsträger.

5. Der Schüler bzw. Student ist solange als der Arbeitsvermittlung nicht aktuell zur Verfügung stehend anzusehen, bis er die Vermutung des § 139 Abs. 2 S. 1 SGB 3 widerlegt hat. Die spätere Nachholung der erforderlichen Darlegungen kann die Vermutung deshalb nicht rückwirkend widerlegen, sondern ihre Folgen allenfalls für die Zukunft beseitigen (Anschluss BSG Urteil vom 19. 3. 1998, B 7 AL 44/97 R).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.03.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat oder diesem insbesondere mangelnde Verfügbarkeit wegen eines Schulbesuchs entgegensteht.

Die am 00.00.1986 geborene Klägerin ist gelernte Kauffrau für Bürokommunikation. Sie bezog in der Zeit vom 01.07. bis 31.07.2007 Arbeitslosengeld aufgrund eines am 01.07.2007 entstandenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld für 360 Tage. In der Zeit vom 01.08.2007 bis 31.10.2008 und vom 01.12.2008 bis 15.04.2009 stand sie erneut in versicherungspflichtigen Beschäftigungen als Kauffrau mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Das letzte Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung der Klägerin, die sie damit begründete, aufgrund einer geplanten schulischen Weiterbildung nicht mehr in Vollzeit tätig sein zu können. Seitdem war die Klägerin bis zum 31.03.2010 befristet geringfügig als Bürokraft mit einer Beschäftigungszeit von 9 bis 12 Stunden pro Woche beschäftigt.

Im August 2009 begann die Klägerin eine bis zum 31.07.2011 veranschlagte schulische Weiterbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin im Rahmen der Fachschule für Wirtschaft am Q-Berufskolleg in E.

Am 19.01.2010 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Im Hinblick auf ihre schulische Ausbildung schränkte sie die Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit auf 20-25 Stunden wöchentlich ein, wobei sie jeweils montags bis freitags von 12:30 Uhr bis 20:00 Uhr und samstags von 08:00 Uhr bis 16:00 Uhr arbeiten könne. In der Zeit von Montag bis Freitag sei sie jeweils von 07:45 Uhr bis 11:00 Uhr als Schülerin in einer Weiterbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin bei dem Berufskolleg E tätig. In den Ferien stehe sie allerdings ganztags zur Verfügung. Die Anzahl der verbindlich vorgeschriebenen Unterrichtsstunden bezifferte sie mit 15 Stunden.

Die Beklagte holte eine Auskunft des Q-Berufskollegs ein. Dieses teilte mit, dass die Klägerin in der von ihr besuchten Unterstufe der Fachschule für Wirtschaft in der Woche 25 Stunden Unterricht habe, und montags bis freitags jeweils von 7:45 Uhr bis 12:00 Uhr.

Mit Bescheid vom 04.02.2010 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen mit der Begründung ab, als Studentin könne die Klägerin vermutlich nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben.

Dagegen legte die Klägerin am 07.02.2010 Widerspruch ein und machte geltend, sie stehe dem Arbeitsmarkt ab 12 Uhr zur Verfügung und könne bis zu 20 bis 30 Stunden nebenbei arbeiten gehen. Bei anderen Mitschülern sei der Antrag nicht abgelehnt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) werde bei Schülern vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen (§ 27 Abs. 4 SGB III) ausüben könnten Versicherungsfreie Beschäftigungen im Sinne von § 27 Abs. 4 SGB III lägen vor, wenn das Studium die Hauptsache sei und die daneben ausgeübte Beschäftigung als Nebensache angesehen werde. Maßgeblich sei der objektiv notwendige Arbeitsaufwand für das Studium. Die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung des § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III ni...

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