Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeheim. Bereitstellung von Hilfsmitteln (hier: Rollstuhl) bei vollstationärer Pflege. Kostenerstattungsanspruch gegen Krankenkasse bei Notwendigkeit für Aktivitäten außerhalb des Pflegeheims. Zuständigkeit des Pflegeheims bei fehlender eigengesteuerter Bestimmungsmöglichkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt (vgl BSG vom 10.2.2000 - B 3 KR 26/99 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 37). ≪rdlinkù/ùnr="38"/≫

2. Ist dem Versicherten zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Kostenerstattung eine verantwortungsbewusste Bestimmung über das eigene Schicksal nicht mehr möglich gewesen, wird er also wegen des Fehlens eigengesteuerter Bestimmungsmöglichkeiten quasi zum "Objekt der Pflege" und ist damit eine Rehabilitation mangels Erfolgsaussichten nicht mehr möglich, der Ist-Zustand der Behinderung nicht mehr behebbar, so besteht kein Anspruch des Versicherten mehr gegenüber der Krankenkasse auf Versorgung mit einem Rollstuhl. Diesen hat das Pflegeheim bereitzustellen (vgl BSG vom 10.2.2000 - B 3 KR 26/99 R = aaO). ≪rdlinkù/ùnr="39"/≫

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 05. September 2006 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2006 verurteilt, an die Kläger 599,- EUR zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung des streitigen Rollstuhls an die Beklagte. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Kostenerstattung (KE), in den sich der ursprünglich geltend gemachte Sachleistungsanspruch auf Versorgung des am 00.00.2006 verstorbenen Ehemanns bzw. Vaters der Kläger (im Folgenden: Versicherter) - nur noch - mit einem Multifunktionsrollstuhl gewandelt hat.

Der am 00.00.1918 geborene Versicherte lebte seit 2001 zusammen mit seiner Ehefrau, der am 00.00.1911 geborenen Klägerin zu 1. U N, in einem Doppelzimmer in der vollstationären Pflegeeinrichtung CBT (Caritas Betriebsführungs- und Trägergesellschaft mbH) "Wohnhaus Q M" in C. Er war u. a. mit einem Standardschieberollstuhl versorgt; die Bewilligung war noch zu der Zeit erfolgt, als der Versicherte in seiner eigenen Wohnung außerhalb eines Heimes lebte und geistige Einschränkungen nennenswerter Art nicht vorlagen. In einem Pflegegutachten vom 24.09.2004 stellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein aufgrund körperlicher Untersuchung des Versicherten am 09.09.2004 fest, dass die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Pflegestufe von II nach III gegeben seien. In dem Gutachten heißt es unter anderen:

"Der Versicherte (87 kg) wird im Bett angetroffen. Rollstuhlmobilisation 3 mal max. 2 Std.; Lagerung notwendig; Transfers mit Hilfe. Sitzen nicht frei. Gehen nicht möglich. Stehen nur mit intensiver Hilfe. Treppensteigen nicht selbständig, auch nicht mit Hilfe möglich. Mäßige bis schwache Handkraft. Feinmotorik stark gemindert. Knöpfen nicht selbständig möglich. Trinken ebenso nicht ... Harn- und Stuhlinkontinenz. Toilettentraining nicht von Erfolg gekrönt ... Fortgeschrittene Demenz mit völligem Verlust von Handlungsmustern. Angehörige werden nicht immer erkannt. Nächtliche Unruhe jetzt gebessert. Der Versicherte bedarf umfangreicher Hilfe, jetzt in Form von vollständiger Übernahme; Anleitung und Beaufsichtigung fruchtet nicht ... Zu allen Qualitäten Orientierung gestört, innerhalb und außerhalb ... Kaum sinnvolle Beschäftigung möglich. Stimmung wechselhaft. Deutliche mnestische Störungen im Lang- und Kurzzeitgedächtnis. Wahrnehmen und Denken verlangsamt, kann komplexe Aufgaben nicht umsetzen. Situatives Anpassen nicht selbständig möglich. Bei der Wahrnehmung sozialer Bereiche des Lebens auf Umfeld angewiesen. Verständigung über den Hilfebedarf mit dem Versicherten nicht möglich ... Mit Besserung ist ganz sicher nicht zu rechnen."

Am 08.11.2005 beantragte die Fa. S-Zentrum E unter Vorlage zweier Verordnungen der Ärztin für Allgemeinmedizin C R vom 29.09.2005 und 14.10.2005 für den Versicherten dessen Versorgung mit einem Multifunktionsrollstuhl mit Sitz- und Rückenverstellung, Begleiterbremse und therapeutischer Kopfstütze sowie mit einem Winterfußsack für den Rollstuhl. Nach dem eingereichten Kostenvoranschlag vom selben Tag lagen die Kosten für einen Invacare Rea 705 Silencio Care Multifunktionsrollstuhl mit Zubehör bei 1.950,89 EUR (abzügl. 10,00 EUR Zuzahlung) sowie für den Schlupfsack Wollpelz marine/bunt Senior bei weiteren 164,48 EUR (abzüglich 10,00 EUR Zuzahlung).

Mit Bescheid vom 14.11.2005 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme (KÜ) mit der Begründung ab, bei Unterbringung in der stationären Pflegeeinrichtung seien durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nur solche Hilfsmittel zu...

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