Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des vom Versicherten zu tragenden Eigenanteils bei der Versorgung mit orthopädischen Schuhen

 

Orientierungssatz

1. Der Hilfsmittelversorgungsanspruch des Versicherten bei dessen Versorgung mit orthopädischem Schuhwerk nach § 33 SGB 5 erstreckt sich nicht auf den Nutzungszweck, der den orthopädischen Schuhen zugleich als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens zukommt.

2. Von dem Anspruch des Versicherten auf die medizinisch erforderliche Versorgung ist daher der Wert ausgenommen, der sich auf einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens bezieht.

3. Nach § 10 Abs. 2 der Orthopädie-VO beträgt der vom Versicherten zu tragende Eigenanteil pro Schuh 38.- €. .

4. Die Privatanschaffung orthopädischer Schuhe verursacht Kosten zwischen 750.- und 1.400.- €. . Die Eigenbeteiligung von 76.- €. für den überschießenden Alltagsgebrauchsvorteil eines Versicherten ist damit nicht unverhältnismäßig.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.08.2017; Aktenzeichen B 3 KR 35/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.02.2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch in zweiter Instanz nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den vom Versicherten zu leistenden Eigenanteil zur Versorgung mit orthopädischen Schuhen.

Der am 00.00.1943 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Er lebt (nach eigenen Angaben) von einer Rente in Höhe von rund EUR 1.500,00 monatlich Der Kläger leidet (neben Polyneuropathie, Diabetes) u.a. unter Fußdeformitäten aufgrund von Überlastungsbrüchen.

Mit Bescheid vom 14.01.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger aufgrund unstreitiger ärztlicher Verordnung orthopädische Straßenschuhe als Hilfsmittel im Abrechnungswert von EUR 1.218,35; zugleich setzte sie die Zuzahlung auf EUR 10,00 und den Eigenanteil auf EUR 76,00 fest.

Der Kläger widersprach (mit Schreiben vom 21.01.2015) der Festsetzung des Eigenanteils auf EUR 76,00. Dieser sei allenfalls ab dem dritten Paar Schuhe gerechtfertigt, ein zweites Paar gehöre als Ersatz zur notwendigen Grundausstattung. Auch die Höhe des Eigenanteils erschließe sich ihm nicht: Er habe noch nie Schuhe für EUR 76,00 gekauft. Bei "Deichmann" kosteten Schuhe zwischen EUR 10,00 und EUR 40,00; für EUR 30,00 bekomme man dort Lederschuhe mit Einlagen. Gerne überlasse er der Beklagten auch ungebrauchte oder neuwertige Schuhe zur Anrechnung auf seinen Gebrauchsvorteil. Schließlich bitte er um Mitteilung der gesetzlichen Grundlagen für die Festsetzung.

Die Beklagte erläuterte die Festsetzung (mit Schreiben vom 21.01.2015, 03.02.2015 und 24.02.2015) und übersandte zugleich ein Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Versorgung mit Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln vom 18.12.2007 in der Fassung vom 20.12.2012, das als Eigenanteil für maßgefertigte orthopädische Straßenschuhe Erwachsener EUR 76,00 empfiehlt.

Der Kläger hielt (mit Schreiben vom 28.01.2015, 06.02.2015, 17.02.2015 und 01.03.2015) an seinem Widerspruch fest: Das Rundschreiben überzeuge ihn nicht, da es nur Empfehlungen enthalte und daher keine Grundlage für seinen vermeintlichen individuellen Gebrauchsvorteil von Schuhen als Gebrauchsgegenstand liefere. Er zahle den Eigenanteil daher nur unter Vorbehalt, da er die Schuhe dringend benötige. Angemessen seien aus seiner Sicht maximal EUR 40,00.

Die Beklagte wies den Widerspruch (mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2015) als unbegründet zurück. Es bestehe kein Anspruch auf Herabsenkung des Eigenanteils auf EUR 40,00 oder die Anrechnung von ungebrauchten/neuwertigen Schuhen. Der Anspruch Versicherter auf die Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beziehe sich nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich nicht auf Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, zu denen Schuhe zu zählen seien. Die Leistungspflicht der Krankenkassen beschränke sich hier nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28.06.1976, Aktenzeichen: 3 RK 9/76) auf das eigentliche Hilfsmittel. Der Gebrauchsvorteil für den Alltagsgegenstand sei dem Versicherten hingegen in Rechnung zu stellen. Zur Höhe der Beiträge hätten die Spitzenverbände der Krankenkassen Empfehlungen abgegeben, nach denen sich die Beklagte gerichtet hätte.

Mit seiner hiergegen am 16.06.2015 vor dem Sozialgericht Dortmund (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt. Er begehre die Auszahlung der Differenz zwischen dem von der Beklagten geforderten Eigenanteil in Höhe von EUR 76,00 und den von ihm für angemessen befundenen - sowie durch Prospektmaterial nachgewiesenen - Eigenanteil von EUR 40,00. Das erste Paar orthopädischer Straßenschuhe sei zudem eigenanteilsfrei zur Verfügung zu stellen, da wegen der unbrauchbar gewordenen bestehenden Schuhausstattung kein Gebrauchsvorteil mehr vorhanden sei. Im Übrigen bitte er um die mit Beweisen begründete Berechnung durchschnittlicher Schuhpreise eines normalen Mitgliedes oder Ren...

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