Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Einkommensermittlung. vorgeburtliche Einkünfte. Mischeinkommen. unselbständige Tätigkeit. Betrieb einer Photovoltaik-Anlage. geringer Gewinn. Unterschied der Elterngeldhöhe je nach Bemessungszeitraum. teleologische Reduktion. erheblicher Nachteil. 20%-Grenze. Verfassungsrecht. Typisierung. Gleichheitssatz

 

Orientierungssatz

1. Für eine Heranziehung der Einkünfte in dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes in Anwendung des § 2b Abs 2 und Abs 3 BEEG bleibt nur dann Raum, wenn mit der sich daraus ergebenden Heranziehung eines früheren Bemessungszeitraums keine erheblichen Nachteile für den Berechtigten verbunden sind.

2. Die Grenze zu erheblichen Nachteilen in diesem Sinne wird jedenfalls dann überschritten, wenn sich bei Heranziehung des zeitnahen Regelbemessungszeitraums nach § 2b Abs 1 BEEG ein mehr als 20 % höherer Elterngeldanspruch als bei einer Berechnung nach Maßgabe der gemäß § 2b Abs 2 und Abs 3 BEEG vorgesehenen Ermittlung der Bemessungseinkünfte anhand des vorausgegangenen Kalenderjahres ergeben würde.

3. Die gesetzlichen Vorgaben sind so auszulegen, dass Ergebnisse vermieden werden, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG unvereinbar sind (vgl BSG vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 5).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.06.2016; Aktenzeichen B 10 EG 8/15 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 28. November 2014 wie folgt neu gefasst wird:

Unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 15. Oktober 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2013 wird der Beklagte zur Neuberechnung des der Klägerin im Zeitraum vom 25. November 2013 bis zum 11. August 2014 gewährten Elterngeldes unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Bruttoeinkommens der Klägerin vor der Geburt in Höhe von monatlich 2.681,82 € verpflichtet.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung eines höheren Elterngeldes für die Betreuung ihrer ... 2013 geborenen Tochter M... .

Nach der Geburt ihres älteren Kindes im Dezember 2010 befand sich die Klägerin bis Juni 2012 in Elternzeit. Dementsprechend hat die Klägerin in den ersten fünf Monaten des Jahres 2012 keine und im Juni 2012 nach Beendigung der Elternzeit nur anteilige Lohneinkünfte erzielt.

Gemeinsam mit ihrem Ehemann ist die Klägerin allerdings Inhaberin einer Photovoltaikanlage. Die damit verbundenen Einnahmen der Klägerin und ihres Ehemanns, d.h. der D... GbR, werden steuerrechtlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst. Für das Jahr 2012 hat das Finanzamt G... diesbezüglich mit Einkommensteuerbescheid vom 8. Oktober 2013 die Höhe der zu versteuernden Einkünfte der Klägerin und ihres Ehemanns auf jeweils 871 € festgesetzt; im Jahr 2013 beliefen sich diese Einnahmen ausweislich des Bescheides vom 23. Oktober 2014 für jeden der beiden Ehegatten auf 599 €.

Dabei haben die Klägerin und ihr Ehemann im Zeitraum von November 2013 bis August 2014 monatliche Einnahmen aus der Photovoltaikanlage in Höhe von 126,90 € erzielt; als Ausgaben waren damit jährlich 89 € für eine Versicherung und 84 € für die Zählermiete (entsprechend monatlich zusammen 14,42 €) verbunden.

Nach Beendigung der zur Betreuung des älteren Kindes in Anspruch genommenen Elternzeit im Laufe des Juni 2012 hat die in die Lohnsteuerklasse 3 eingeordnete Klägerin folgende monatliche Gehaltszahlungen von ihrem Arbeitgeber erhalten:

Monat 

Bruttogehalt in €

Jun 12

967,52

Jul 12

2.659,75

Aug 12

2.659,75

Sep 12

2.659,75

Okt 12

2.659,75

Nov 12

2.659,75

Dez 12

2.765,75

Jan 13

2.730,39

Feb 13

2.730,39

Mrz 13

2.730,39

Apr 13

2.730,39

Mai 13

2.730,39

Jun 13

2,730,39

Aufgrund der Geburt ihres zweiten Kindes M... am ... 2013 befand sich die Klägerin seit dem 21. Juli 2013 im Mutterschaftsurlaub; von Seiten der Krankenkasse hat sie vom 21. Juli 2013 bis zum 24. November 2013 Mutterschaftsgeld (zuzüglich der ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers) erhalten.

Im Oktober 2013 beantragte die Klägerin Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter M... und gab an, dass sie im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub bis zum 12. August 2015 erneut Elternzeit in Anspruch nehmen werde. Eine berufliche Tätigkeit werde sie während des Bezugszeitraums voraussichtlich nicht ausüben.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2014 bewilligte der beklagte Landkreis der Klägerin - angesichts des noch nicht abschließend nachgewiesenen Erwerbseinkommens während des Bezugszeitraums ausdrücklich nur vorläufig im Sinne des § 8 Abs. 3 BEEG - Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes, und zwar für den fünften bis zwölften Monat in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 714,01 €. Unter Berücksichtigung der erhaltenen und auf den Elterngeldanspruch anzurechnenden Mutterschaftsgeldzahlungen einschließlich des Arb...

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