Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Bemessungszeitraum. Ausklammerungstatbestände nach § 2b BEEG. keine Ausklammerung bei Bezug von Elterngeld Plus für ein älteres Kind ab dem 14. Lebensmonat. familiäre Kinderbetreuung. Verfassungsrecht. keine geschlechtsspezifische Benachteiligung von Frauen. Ausklammerung bei Bezug von Mutterschaftsleistungen für ein anderes Kind

 

Leitsatz (amtlich)

Die normative Ausgestaltung des für die Höhe des Elterngeldes maßgeblichen Bemessungszeitraums in § 2b Abs 1 S 2 BEEG lässt keine geschlechtsspezifische Benachteiligung der Mütter erkennen.

 

Orientierungssatz

1. Da ein Bezug von Mutterschaftsleistungen ausschließlich und ein längerfristiger Bezug von Elterngeldleistungen ganz überwiegend durch Frauen erfolgt und damit Frauen in deutlich größerem Ausmaß die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2b Abs 1 BEEG erfüllen, führen die erläuterten gesetzlichen Regelungen des § 2b Abs 1 BEEG im Ergebnis dazu, dass weit häufiger bei Frauen als bei Männern der Bemessungszeitraum in Anwendung dieser Vorschrift vorzuverlegen ist.

2. Vom Ausklammerungstatbestand des § 2b Abs 1 S 2 Nr 2 BEEG werden auch Zeiten erfasst, in denen Mutterschaftsleistungen für ein anderes Kind bezogen werden.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für die Betreuung ihres am 29. Juni 2019 geborenen zweiten Kindes, des Sohnes I..

Das älteste Kind der Klägerin, die Tochter J., wurde am 6. Dezember 2017 geboren. Seinerzeit bezogen die Klägerin Mutterschaftsleistungen in den Monaten Oktober 2017 bis Februar 2018. Insbesondere noch bis April 2019 bezog die Klägerin Elterngeld, und zwar zuletzt in Form des sog. Elterngeldes Plus.

Im Zuge der Geburt des Sohnes bezog die Klägerin vom 22. Mai bis zum 28. August 2019 Mutterschaftsleistungen. Für die Folgezeit bis zum Ablauf des 12. Lebensmonat des Kindes, d.h. bis zum 28. Juni 2020, gewährte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 26. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2019 - dem Grunde nach antragsgemäß - Elterngeld in Höhe von monatlich 1.446,45 €.

Diesen Betrag hatte der Beklagte wie folgt ermittelt: Als zwölfmonatigen Bemessungszeitraum hatte sie die Monate März und April 2019 (in denen die Klägerin kein Erwerbseinkommen erzielt hatte) und die zehn Monate vor Einsetzen der Mutterschaftsleistungen für das ältere Kind, d.h. die Monate Dezember 2016 bis September 2017, in Ansatz gebracht. In diesen Monaten hatte die Klägerin ein Bruttoeinkommen aus nichtselbständiger Arbeit in der Größenordnung von ca. 4.000 € im Monat erzielt, wobei der Beklagte von diesem Betrag gemäß § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG monatlich jeweils ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, d.h. einen Betrag von 83,33 €, in Abzug gebracht. Unter Einbringung des danach verbleibenden Bruttobetrages für die Monate mit Erwerbseinkommen von Dezember 2016 bis September 2017 sowie eines Betrages von null Euro für die Monate März und April 2019 ohne Erwerbseinkommen ermittelte der Beklagte für den Bemessungszeitraum ein monatliches Durchschnittsbruttoeinkommen in Höhe von 3.337,18 €. Nach Abzug der pauschaliert ermittelten Abzüge für Steuern in Höhe von 543,93 € gemäß § 2e BEEG und für Sozialabgaben gemäß § 2f BEEG in Höhe von 700,81 € ergab sich ein durchschnittlicher monatlicher Nettobetrag von 2.023 €. Hiervon sprach der Beklagte entsprechend dem sich aus § 2 Abs. 2 BEEG ergebenden Bemessungssatz von 65 % der Klägerin monatlich 1.314,95 € (erhöht um den sich aus § 2a BEEG ergebenden sog. Geschwisterbonus von 10 %) d.h. im Ergebnis den Betrag von monatlich 1.446,45 €, als Elterngeld zu.

Mit der am 2. Dezember 2019 erhobenen Klage hat die Klägerin das Begehren verfolgt, dass in die erläuterte Berechnung des Elterngeldes an Stelle der von der Beklagten berücksichtigen beiden Monate ohne Erwerbseinkommen März und April 2019 die vor dem von der Beklagten berücksichtigten Bemessungszeitraum gelegenen beiden Monate Oktober und November 2016, während derer sie ein Erwerbseinkommen erzielt hatte, einzustellen seien. Ohne die damalige zeitliche Streckung des Elterngeldanspruchs in Form der Inanspruchnahme von Elterngeld Plus auch über den 14. Lebensmonat der Tochter hinaus hätte seinerzeit die Betreuung der Tochter J. nicht gewährleistet werden können.

Diese Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 20. Juli 2020 unter Heranziehung der dem Begehren entgegenstehenden gesetzlichen Vorgaben in §§ 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 BEEG abgewiesen.

Mit ihrer am 20. August 2020 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Anregung einer Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG weiter. Die von der Beklagten herangezogenen gesetzlichen Vorgaben brächten eine verfassungswidrige Diskriminierung des Geschlechts zum Ausdruck. Die gesetzlichen Berechnungsvorgaben hätten jedenfalls faktisch unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer. Frau nähmen Elterngeld-...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge