Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme. fehlende Bestimmtheit der Maßnahme "Langzeitarbeitslosigkeit vermeiden". zweites versicherungswidriges Verhalten. keine vorherige Feststellung der vorausgegangenen Sperrzeit durch Verwaltungsakt

 

Orientierungssatz

1. Bei der Beurteilung des Eintritts einer Sperrzeit wegen Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme (hier: "Langzeitarbeitslosigkeit vermeiden"), dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit der Eingliederungsmaßnahme nicht überspannt werden.

2. Ein zweites versicherungswidriges Verhalten gem § 159 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 3 kann auch dann vorliegen, wenn die vorherige Feststellung der vorausgegangenen Sperrzeit durch Bescheid nicht erfolgt ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.06.2019; Aktenzeichen B 11 AL 17/18 R)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über zwei Sperrzeiten wegen Nichtteilnahme an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung.

Der am … 1979 geborene Kläger, der zuletzt in einer Werbeagentur tätig war, meldete sich am 15. Dezember 2015 arbeitslos. Mit Bewilligungsbescheid vom 22. Dezember 2015 wurde dem Kläger vorläufig Arbeitslosengeld vom 15. Dezember 2015 bis zum 6. September 2016 in Höhe von kalendertäglich 62,10 Euro bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 8. Februar 2016 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld vom 15. Dezember 2015 bis zum 6. Dezember 2016 in gleicher Höhe bewilligt.

Der Kläger wurde mit Schreiben der Beklagten vom 15. Juli 2016 einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung "Langzeitarbeitslosigkeit vermeiden (LAV)" nach § 45 Abs. 1 S. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) zugewiesen. Die Maßnahme sollte zum 17. August 2016 beginnen und am 11. Oktober 2016 enden. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, dass eine Sperrzeit eintrete, wenn die Teilnahme an der Maßnahme ohne wichtigen Grund abgelehnt werde. Die Sperrzeit dauere im Falle des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens drei Wochen, im Falle des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens sechs Wochen. Während der Sperrzeit ruhe der Anspruch auf Leistungen. Die Anspruchsdauer mindere sich um die Tage einer Sperrzeit.

Der Kläger trat die Maßnahme nicht an. Die Beklagte hörte ihn daraufhin mit Schreiben vom 23. August 2016 zum Eintritt einer Sperrzeit an.

Mit Schreiben vom 29. September 2016 wies die Beklagte den Kläger erneut der Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung "Langzeitarbeitslosigkeit vermeiden (LAV)" nach § 45 Abs. 1 S. 1 SGB III zu. Die Maßnahme sollte zum 19. Oktober 2016 beginnen und am 6. Dezember 2016 enden. Das Schreiben enthielt die gleiche Rechtsfolgenbelehrung wie das Schreiben vom 15. Juli 2016.

Der Kläger trat die Maßnahme wiederum nicht an. Die Beklagte hörte ihn daraufhin mit Schreiben vom 20. Oktober 2016 zum Eintritt einer Sperrzeit an. Der Kläger teilte mit, dass er sich zum fraglichen Zeitpunkt der Maßnahme in äußerst konkreten Jobverhandlungen und diversen weiteren Personalgesprächen befunden habe. Aus der Anordnung der Maßnahme sei auch nicht hervorgegangen, um welche Kursinhalte es sich handeln würde und inwieweit diese ihm nützlich seien. Da es sich vermutlich um ein allgemeines Bewerbertraining gehandelt habe, sei ihm dieses in seiner Situation auch ungeeignet erschienen, da er in den zurückliegenden 15 Berufsjahren mit ständig steigender Intensität administrative Aufgaben, insbesondere im Personalbereich zu verantworten gehabt habe. Bewerbungen, Bewerbungsgespräche und Mitarbeiterentwicklung seien seine tägliche Arbeit gewesen. Außerdem würden sich Jobanbahnungen in seiner Branche anders darstellen und eher auf informeller Ebene erfolgen. Bewerbungen nach allgemeinen Regeln seien unüblich. Er befinde sich in permanentem Austausch mit potentiellen Arbeitgebern und erbringe gerne entsprechende Nachweise.

Mit Bescheid vom 28. November 2016 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 18. August bis zum 7. September 2016 fest. Dem Kläger sei am 15. Juli 2016 die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Eingliederung angeboten worden. In dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld werde für diesen Zeitraum ganz aufgehoben. Ein wichtiger Grund für die Nichtteilnahme an der Maßnahme liege nicht vor. Die Sperrzeit dauere drei Wochen, weil es sich um das erste versicherungswidrige Verhalten gehandelt habe. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 21 Tage.

Mit weiterem Bescheid vom 28. November 2016 stellte die Beklagte den Eintritt einer weiteren Sperrzeit für die Zeit vom 20. Oktober 2016 bis zum 30. November 2016 fest. Dem Kläger sei am 29. September 2016 die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Eingliederung angeboten worden. In dieser Zeit ruhe der Anspruch au...

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