Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung für Anwendung eines Heilmittels (hier: spezielles Wahrnehmungstraining nach der Methode Tomatis) im Ausland

 

Leitsatz (amtlich)

1. Begehrt ein Versicherter von seiner Krankenkasse die Erstattung der Kosten einer Auslandsbehandlung, ist § 18 Abs 1 S 1 SGB 5 ausschließliche Rechtsgrundlage, weil das danach der Krankenkasse zustehende Auswahlermessen bei der Leistungserbringung auch die Kostenerstattung zuläßt.

2. Eine Kostenerstattung nach § 18 Abs 1 S 1 SGB 5 scheidet - ebenso wie die nach § 13 Abs 3 SGB 5 - von vornherein aus, wenn der Versicherte außervertragliche Leistungen - wozu auch eine Behandlung im Ausland gehört - in Anspruch nimmt, ohne zuvor einen entsprechenden Antrag bei der Krankenkasse zu stellen und dessen Bescheidung abzuwarten.

3. Eine Krankenbehandlung im Ausland ist nicht erforderlich iS des § 18 Abs 1 S 1 SGB 5, wenn sie vor ihrer Anwendung nicht ärztlich verordnet worden ist.

4. An der Erforderlichkeit einer Auslandsbehandlung fehlt es auch dann, wenn die Verweisung des Versicherten auf das Angebot einer entsprechenden Behandlung im Inland zwar unzumutbar ist, die Inlandsbehandlung aber nach §§ 92 Abs 1 S 1 Nrn 5 und 5, 135 Abs 1 Nr 1 bis 3, 138 SGB 5 nicht verordnungsfähig wäre.

5. Das spezielle Wahrnehmungstraining (Audio-Psycho-Phonologie nach Prof Dr Tomatis) nach der Thode Tomatis ist keine verordnungsfähige Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für ein spezielles Wahrnehmungstraining (Audio-Psycho-Phonologie nach Prof. Dr. Tomatis) in der Schweiz zu erstatten.

Die 1981 geborene Klägerin, die über ihren Vater bis zum 25. Oktober 1991 bei der Beklagten krankenversichert war, leidet infolge einer Sauerstoffunterversorgung des Gehirns während der Geburt an einem cerebralen Anfallsleiden (retropulsiv Grand Mal), Hyperkinesie, einer psycho-motorischen-sozialen-sprachlichen Entwicklungsverzögerung, Verdacht auf Wahrnehmungsstörung sowie Leistungsstörungen vor allem im sprachlich-kognitiven und intellektuellen Bereich (Befundberichte des behandelnden Kinderarztes Dr. J vom 12. Oktober 1987, 27. Juni 1988 und 14. November 1988). Die Beklagte bewilligte ihr zur Behandlung dieser Leiden nach den bei den Verwaltungsakten befindlichen Bewilligungsbescheiden in der Zeit von November 1987 bis Oktober 1989 Ergotherapien, insbesondere als sensomotorische Übungsbehandlungen.

Am 19. August 1991 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für ein spezielles Wahrnehmungstraining (Audio-Psycho-Phonologie nach Prof. Dr. Tomatis - Methode Tomatis -) am Tomatis-Institut für Horch- und Sprachpädagogik in Zug in der Schweiz. Sie fügte ein "ärztliches Attest" ihres behandelnden Kinderarztes Dr. J vom selben Tage bei, wonach aufgrund einer minimalen cerebralen Dysfunktion mit psycho-motorischer Retardierung und Wahrnehmungsstörung bei Zustand nach cerebralem Krampfleiden das spezielle Wahrnehmungstraining nach der Methode Tomatis "dringend zu empfehlen" sei.

Die Beklagte holte Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung -MDK- (Dr. L -G, Ärztin für Kinderheilkunde vom 26. August 1991, Dr. S -W, Ärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vom 26. November 1991) sowie eine gutachterliche Stellungnahme des Leiters der Poliklinik für Stimm- und Sprachkranke der Abteilung für Audiologie und Phoniatrie der HNO-Klinik der Freien Universität B. - Universitätsklinikum S. - Prof. Dr. G (vom 18. Februar 1992) ein und lehnte den Antrag mit Bescheiden vom 9. September 1991, 18. Oktober 1991, 10. Dezember 1991 und 26. Februar 1992 - bestätigt durch den Widerspruchsbescheid ihres Widerspruchsausschusses vom 2. Juli 1992 - ab: Die Stellungnahme des MDK habe ergeben, daß die erforderliche Therapie in B. an der Universitätskinderklinik H. bzw. beim Spastiker-Zentrum P. jederzeit möglich sei. Der gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. G sei zu entnehmen, daß es sich bei der durchgeführten Behandlung in der Schweiz um ein Therapieverfahren handele, das nicht anerkannt und die Behandlung nach der Methode Tomatis damit nicht sinnvoll sei. Der Gutachter habe darauf hingewiesen, daß die Therapie nach Tomatis auch in Deutschland angeboten werde. Deshalb scheide eine Kostenübernahme gemäß § 18 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- aus.

Hiergegen hat der Vater der Klägerin am 21. Juli 1992 Klage zum Sozialgericht erhoben und die Erstattung von insgesamt 10.600,11 DM begehrt, die der Klägerin und ihren Eltern durch Fahrtkosten, Unterkunfts- und Verpflegungskosten für jeweils drei Personen sowie Behandlungskosten für die Klägerin für die von ihr in der Zeit vom 26. August bis zum 7. September 1991 (Gesamtkosten 5.428,80 DM) und vom 7. Oktober bis zum 19. Oktober 1991 (Gesamtkosten 5.171,31 DM) in der Schweiz durchgeführten "Therapieblöcke" entstanden seien.

Das Sozialgericht hat auf die einverständliche Erklärung der Beteiligten, daß der Rechtsstreit von ...

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