Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsausbildungsbeihilfeanspruch. Förderung der zweiten Ausbildung. Ausschluss der Anrechnung von Elterneinkommen. kein bestehender Unterhaltsanspruch. Verfolgen der ersten Ausbildung ohne Zielstrebigkeit. Nachweis

 

Orientierungssatz

1. Bei der Förderung der zweiten Ausbildung gem § 60 Abs 2 S 2 SGB 3 ist das Elterneinkommen nicht anzurechnen, wenn ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt seitens der Eltern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht besteht, weil die erste Ausbildung nicht mit der erforderlichen Zielstrebigkeit verfolgt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn der Auszubildende seine erste Ausbildung viereinhalb Jahre lang absolviert und nicht erfolgreich beendet hat und nicht nur ein vorübergehendes Versagen vorliegt.

2. Für die Verneinung des Unterhaltsanspruches gem § 71 Abs 5 S 2 SGB 3 sind keine formalen Darlegungs- oder Beweisanforderungen aufgestellt noch wird die Durchführung eines Rechtsstreites gegen die möglicherweise unterhaltspflichtigen Eltern gefordert. Den Auszubildenden trifft nur eine Darlegungsobliegenheit, um Grundlagen für etwaige weitere Ermittlungen von Amts wegen zu gewinnen.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe.

Der Kläger ist im April 1987 geboren worden. Seine Eltern sind seit 2007 geschieden.

Im September 2003 nahm er nach dem Abschluss der Schule eine in schulischem Rahmen durchgeführte Ausbildung zum Anlagenmechaniker (Gas/Wasser) auf. Nachdem er das zweite Ausbildungsjahr wiederholt hatte, bestand er im Februar 2008 die Gesellenprüfung auch nach einer Nachprüfung nicht. Am 1. September 2008 nahm er dann eine betriebliche Ausbildung zum Gebäudereiniger auf. Die Ausbildungsvergütung betrug im ersten Ausbildungsjahr 530,00 €, im zweiten 635,00 € und im dritten 795,00 € brutto monatlich, daneben wurden jährlich Einmal-zahlungen gewährt.

Die Mutter des Klägers hatte im Kalenderjahr 2007 Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts von 11.310,00 € erzielt, der Vater in Höhe von 28.607,00 €.

Im April 2009 beantragte der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt noch bei seiner Mutter wohnte, die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe. Am 16. Juli 2009 bezog er eine eigene Wohnung, für die eine Bruttowarmmiete von monatlich 377,62 € bei einer Wohnfläche von 54,10 m² vereinbart war. Der Vater des Klägers zahlte in diesem Zeitpunkt an den 1990 geborenen Bruder des Klägers einen monatlichen Unterhalt von 213,00 €. Seit 4. September 2009 befand sich der Bruder des Klägers seinerseits in einer Ausbildung.

Durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 20. August 2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe ab. Dem Kläger stünden in Gestalt eines Unterhaltsanspruchs gegen seinen Vater ausreichende Mittel anderweitig zur Verfügung.

Am 30. September 2009 beantragte der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 20. August 2009 im Zugunstenverfahren. Einkünfte des Vaters seien nicht zu berücksichtigen, weil dieser nicht unterhaltspflichtig sei. Er (der Kläger) sei volljährig und habe eine erste Ausbildung nicht erfolgreich abgeschlossen.

Durch Bescheid vom 1. Oktober 2009 (adressiert an “Herrn H„ in J - dem Wohnort des Vaters des Klägers -, jedoch den Bevollmächtigten des Klägers übersandt) lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 20. August 2009 ab. Die Eltern seien dem Kläger nach bürgerlichem Recht unterhaltspflichtig. Der Umstand, dass er die erste Ausbildung abgebrochen habe, stehe dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber billige es einem Heranwachsenden zu, seinen Berufswunsch einmal zu ändern. Erst nach dem Abbruch zweier Ausbildungen ohne zureichenden Grund entfalle die Unterhaltspflicht in der Regel.

Mit seinem Widerspruch vertrat der Kläger die Auffassung, dass seine Eltern ihm keinen Unterhalt mehr zu gewähren hätten. Das volljährige Kind sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einer Mitwirkungspflicht des Inhalts unterworfen, seine Ausbildung schnellstmöglich und mit bestmöglichen Ergebnissen abzuschließen. In der Regel sei nicht später als ein Jahr nach dem Beginn einer Ausbildung die Feststellung zu treffen und zu beweisen, dass die Ausbildung nicht den Fähigkeiten und Neigungen entspreche.

Durch Widerspruchsbescheid vom 4. November 2009 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Begründung des Ausgangsbescheides zurück.

Mit der Klage hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt und im Besonderen geltend gemacht, dass sein allein leistungsfähiger Vater seinem Bruder Unterhalt leiste und darüber hinaus nicht leistungsfähig sei. Er hat eine Aufstellung seiner Nettoentgelte ab September 2008 bis März 2010 eingereicht.

Die Beklagte hat der Klage entgegengehalten, dass der gesetzliche Gesamtbedarf von monatlich 611,00 € (Pauschsätze für Lebensunterhalt und Un...

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