Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung fiktiver Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund von Verdienstausfallzahlungen eines privaten Versicherers nach einem Verkehrsunfall. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzung für die Berücksichtigung fiktiver Pflichtbeitragszeiten auf der gesetzlichen Grundlage des § 119 Abs 3 S 1 SGB 10 ist, dass insoweit Beiträge tatsächlich geleistet wurden.

2. Nachteile, die sich aus einem vom Rentenversicherungsträger unterlassenen Beitragsregress iS des § 119 Abs 1 SGB 10 ergeben, können nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz 1: Anschluss an LSG Essen vom 17.6.2005 - L 13 RA 44/04, LSG Mainz vom 11.1.2012 - L 4 R 266/11, BSG vom 31.1.2002 - B 13 RJ 23/01 R = BSGE 89, 151 = SozR 3-1300 § 44 Nr 34.

 

Normenkette

SGB X § 119 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 1; SGB VI § 55 Abs. 1 Sätze 2, 1, § 168 Abs. 1 Nr. 1; SGB I §§ 14-15; GG Art. 34 S. 1; BGB § 839 Abs. 1 S. 1, § 364 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 5; SGG § 54 Abs. 1, 4, §§ 56, 95

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Der am 1948 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Starkstromelektriker und war in diesem Beruf mit Unterbrechungen, zuletzt als Service-Meister bis Mitte 1993 tätig. Er erlitt am 12. Juli 1993 einen unverschuldeten Verkehrsunfall, der zu verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte.

Am 6. Juni 1994 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, eine Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit und begründete diesen Antrag mit folgenden Gesundheitsstörungen: Asthma, Arthrose, HWS-Schleudertrauma, fortgeschrittene Osteoporose, Schwindel, Kopfschmerzen. Er gab in seinem Antrag an, dass diese Gesundheitsstörungen durch den Verkehrsunfall verursacht worden seien.

Zunächst bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. Juni 1993 längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auf Grund eines Leistungsfalls am 3. Mai 1993 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 22. August 1995), sodann auf Widerspruch des Klägers vom 12. September 1995, mit dem er einen Versicherungsfall am Tag des Verkehrsunfalles und eine Erwerbsunfähigkeitsrente erst ab 1. August 1993 geltend gemacht hatte (Schreiben des seinerzeit bevollmächtigten Rentenberaters vom 23. November 1993), ab 1. August 1993 (Bescheid vom 15. Januar 1996). Dabei berücksichtigte sie persönliche Entgeltpunkte in Höhe von 40,8279 sowie den Rentenfaktor 1. Hinsichtlich der Einzelheiten der Rentenberechnung sowie des Versicherungsverlaufs wird auf den Rentenbescheid vom 22. August 1995 (Bl. 41 der Verwaltungsakten) Bezug genommen.

In dem “Feststellungsbogen Renten wegen BU/EU„ war wegen des “Unfall(s) 1993„ eine Abgabe der Akten an die Abteilung “Schadensersatz„ verfügt worden. Ausweislich einer auf den 3. Dezember 1996 datierenden Verfügung stellte die Beklagte das Verfahren nach §§ 116 bis 119 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) wegen des Unfalls vom 12. Juli 1993 ein, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Leistungen der bestanden habe. Dieser Entscheidung lag die Einschätzung des Prüfarztes Dr. vom 25. November 1996 zugrunde, wonach bei dem Kläger neben der Unfallverletzung “HWS-Schleudertrauma„ unfallunabhängigen Erkrankungen (neurotische Depression, Colon irritabile, Verschleiß der Wirbelsäule, Osteoporose, Asthma bronchiale) bestünden und die unfallunabhängigen Leiden “ganz überwiegend (ca. 80 bis 90 %)„ die Leistung ausgelöst hätten. Es sei nicht damit zu rechnen, dass die bestehenden Unfallfolgen zu einem späteren Zeitpunkt noch Leistungen des Rentenversicherungsträgers bedingen würden. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 7 der Regressakten der Beklagten Bezug genommen.

Im September 2001 nahm der Kläger mit seinem jetzigen Bevollmächtigten Einsicht in die Rentenakten und die gesondert geführten “Regressakten„ der Beklagten. Auf Anforderung des Klägers stellte die Beklagte diesem im März 2003 eine Bescheinigung zur Vorlage bei Gericht wegen Schadensersatz über den Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente aus. Im Dezember 2003 forderte der Bevollmächtigte des Klägers zur Berechnung fiktiver Verdienstausfallansprüche für die Zeit von 2000 bis 2003 im Rechtsstreit wegen Schadensersatz vor dem Landgericht Stuttgart verschiedene Rentenunterlagen an. Auf Anforderung des Landgerichts Stuttgart im Rechtsstreit 24 O 418/02 übersandte die Beklagte im August 2004 ihre Verwaltungsakten.

Der Kläger erstritt gegenüber der Unfallgegnerin und deren Haftpflichtversicherung für die Jahre 1994 bis 1999 einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 46.791,28 Euro (Landgericht ≪LG≫ Stuttgart, Urteil vom 25. Februar 2005 - 24 O 418/02 -; Oberlandesgericht ≪OL...

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