Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherungspflicht. Pflegeperson. Ermittlung des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit. Mindeststundenzahl. Nichtberücksichtigung von über die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung hinausgehenden ergänzenden Pflegeleistungen und verrichtungsbezogener Behandlungspflege

 

Orientierungssatz

1. Für die Ermittlung der Mindeststundenzahl für die Versicherungspflicht einer Pflegeperson von wöchentlich mindestens 14 Stunden nach § 3 S 1 Nr 1a SGB 6 ist nur die Zeit für die Durchführung von Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung zu berücksichtigen und nicht darüber hinaus auch der Zeitaufwand für ergänzende Pflegeleistungen (zB Behandlungspflege, nicht verrichtungsbezogene Anleitung oder Aufsicht, soziale Kommunikation oder nicht verrichtungsbezogene Mobilitätshilfen).

2. Weitere Pflegezeiten sind auch nicht aufgrund von verrichtungsbezogener Behandlungspflege zu berücksichtigen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21. Juni 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 3 Satz 1 Nr. 1 a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 30. Juni 2007 streitig.

Die 1953 geborene Klägerin pflegte gemeinsam mit ihrer Schwester, der Zeugin Frau D K, die 1919 geborene und am 27. September 2007 verstorbene Mutter in deren häuslicher Umgebung. Ein Teil der Pflege wurde durch die Sozialstation erbracht, die von Montag bis Samstag morgens kam. Dienstags und freitags wurde sie vor 8 Uhr zur Tagespflege von einem Fahrer der Sozialstation abgeholt und nach 16 Uhr zurückgebracht. Daneben arbeitete die Klägerin im Schichtdienst entweder von 8.30 bis 14 Uhr oder von 14 bis 19 Uhr insgesamt 30 Stunden in der Woche in einem Getränkemarkt. Sie wohnte in einem Haus mit der Mutter und war nachts in der oberen Wohnung über eine elektrische Klingel erreichbar.

Die beigeladene Pflegekasse stellte nach einer Begutachtung am 24. Juni 1999 mit Hausbesuch für die Mutter der Klägerin die Pflegestufe II fest. Der tägliche Zeitaufwand für Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung betrage 770 Minuten wöchentlich. In einem Folgegutachten vom 10. September 2001 wurde die Einstufung Pflegestufe II aufrechterhalten. Der Zeitaufwand für die Grundpflege wurde nun mit 156 Minuten pro Tag und für die Hauswirtschaft mit 60 Minuten pro Tag angenommen. Die Pflegezeit der beiden Pflegepersonen lag damit unter 14 Stunden wöchentlich.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2004 teilte die Beigeladene dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass die Voraussetzungen für die Rentenversicherungspflicht nicht vorliegen würden, weshalb die Zahlung der Beiträge zum 31. Dezember 2003 beendet werde.

In einem Gutachten nach Aktenlage vom 5. März 2004 kam der Medizinische Dienst der Beigeladenen zum Ergebnis, dass ein Gesamtpflegebedarf weiterhin in Höhe von 216 Minuten bestehe, sodass sowohl für die Klägerin als auch ihre Schwester ein Pflegeaufwand von unter 14 Stunden/Woche anfalle. Tätigkeiten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit grundpflegerischen oder hauswirtschaftlichen Verrichtungen stünden, z. B. behandlungspflegerische Maßnahmen, könnten zeitlich nicht berücksichtigt werden, ebenso wenig wie allgemeine Überwachungs- oder Betreuungsleistungen. Deshalb würde sich auch aus einer von der Klägerin und ihrer Schwester übermittelten umfangreichen Auflistung nichts anderes ergeben.

Mit Schreiben vom 19. März 2004 teilte die Beigeladene der Klägerin mit, dass nicht festgestellt werden könne, dass sie ihre Mutter mindestens 14 Stunden wöchentlich pflege, weshalb keine Rentenversicherungsbeiträge seitens der Beigeladenen zu zahlen seien. Falls sie hiermit nicht einverstanden sei, werde die Überprüfung ihres Anliegens an die Rentenversicherung weitergeleitet. Nachdem die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 24. März 2004 geltend gemacht hatte, dass sich keine Änderung des Pflegebedarfs ergeben habe und um Überprüfung gebeten hatte, lehnte die Beigeladene gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 30. März 2004 die Beitragszahlung zur Rentenversicherung für die Klägerin für die Zeit ab dem 1. Januar 2004 ab.

Mit Bescheid vom 19. April 2004 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen für die Rentenversicherungspflicht der Klägerin als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson nach § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI ab dem 1. Januar 2004 nicht vorlägen, da der durch sie ausgeübte Umfang der Pflegetätigkeit unter 14 Stunden/Woche liege. Der hiergegen am 4. Mai 2004 erhobene Widerspruch wurde damit begründet, dass der wöchentliche Gesamtpflegebedarf bei mindestens 39 Stunden liege. Die Klägerin und ihre Schwester hätten sich die Pflege der Mutter im Verhältnis 60:40 aufgeteilt, weshalb die 14 Stunden...

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