Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Abrechnungsprüfung. nachgehende Richtigstellung vertragsärztlicher Honorarbescheide. anzuwendende Rechtsvorschrift. Rücknahme. Vertrauensschutz. Verwaltungsermessen. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die nachgehende Richtigstellung vertragsärztlicher Honorarbescheide beruht auch nach Ablauf der Frist von vier Jahren seit ihrer Bekanntgabe auf § 106a SGB V aF (jetzt § 106d SGB V nF) und nicht auf § 45 SGB X. Diese Vorschrift ist nur insoweit (teilweise) entsprechend anzuwenden, als sie den Vertrauensschutz des von der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts Betroffenen zum Gegenstand hat. Rücknahmeermessen muss die Kassenärztliche Vereinigung daher nicht ausüben.

 

Orientierungssatz

Verfassungsrechtliche Bedenken (im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) bestehen nicht (vgl BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R = BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 66ff).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.10.2018; Aktenzeichen B 6 KA 34/17 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 55.184,57 € endgültig festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist eine im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung (nachgehende Richtigstellung) verfügte Honorarrückforderung für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 in Höhe von 55.184,57 €.

Der Kläger ist Facharzt für Anästhesiologie mit der Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung “Spezielle Schmerztherapie„. Er war bis 31.10.2007 als Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin bei der K.-O.-K. GmbH, St., angestellt. Mit Beschluss vom 24.10.2007 erteilte der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Regierungsbezirk St. - (ZA) dem Kläger gemäß § 116 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. § 31a Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) eine (Folge-)Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung mit Wirkung vom 01.11.2007 für die Betriebsstätte K.-O.-K., Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, St.. Die (bis zum 01.10.2008 befristete) Ermächtigung ist durch eine ihr (unter I.) beigefügte Nebenbestimmung von zu begründenden Ausnahmen abgesehen, begrenzt auf die Durchführung der gebietsbezogenen Schmerztherapie (Fachgebiet Anästhesiologie) auf Grund von Überweisungen der zugelassenen schmerztherapeutisch tätigen Fachärzte für Anästhesiologie sowie der Vertragsärzte, die an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmen.

Mit Honorarbescheiden vom 14.07.2008, 15.10.2008 und 15.01.2009 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für in den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 (zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung, GKV) erbrachte Ermächtigungsleistungen auf 18.528,53 €, 19.189,66 € bzw. 17.722,24 € fest. Der Kläger hatte jeweils die Abrechnungssammelerklärungen (unter dem 31.03.2008, 11.07.2008 und 10.10.2008) abgegeben. Die Erklärungsvordrucke enthalten unter der Überschrift “Mobile Kartenlesegeräte„ u.a. den Hinweis darauf, dass Chipkartenarchivierungsprogramme nicht eingesetzt worden seien und dass das Zurückübertragen/Rückspeichern der in solchen Programmen gespeicherten Patientendaten in mobile Krankenversichertenkartenlesegeräte oder direkt in ein Praxisverwaltungsprogramm nicht zulässig sei.

Der bei der Beklagten (Bezirksdirektion St.) eingerichtete Plausibilitätsausschuss führte eine Plausibilitätsprüfung der vom Kläger für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 eingereichten Honorarabrechnungen durch.

Mit (ohne Anhörung ergangenem) Bescheid vom 17.03.2014 verfügte die Beklagte die Entnahme (Streichung) aller nicht dem Ermächtigungskatalog entsprechenden Behandlungsfälle der Quartale 1/2008 bis 3/2008. Das Honorar des Klägers wurde für die genannten Quartale auf 121,85 €, 134,01 € bzw. 0,00 € neu festgesetzt (Differenz: 18.406,68 €, 19.055,65 € bzw. 17.722,24 €). Außerdem wurde dem Kläger aufgegeben, in den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 zuviel gezahltes Honorar i.H.v. 55.184,57 € zurückzuzahlen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Abrechnungen der Quartale 1/2008 bis 3/2008 seien einer Plausibilitätsprüfung unterzogen worden. Der Plausibilitätsausschuss habe in seiner Sitzung vom 03.02.2014 die Entnahme aller Behandlungsfälle der Quartale 1/2008 bis 3/2008, die nicht dem Ermächtigungskatalog des Klägers entsprochen hätten, beschlossen. Man habe die Abrechnungsunterlagen dem Plausibilitätsausschuss vorgelegt, weil neben der Nichteinhaltung des Ermächtigungskatalogs aufgefallen sei, dass die Überweisungen an den Kläger fast ausschließlich durch die (ärztliche) Berufsausübungsgemeinschaft M./St./L. (im Folgenden: BAG) ausgestellt worden seien, wobei das Einlesedatum bei der BAG und beim Kläger identisch gewesen sei. Bei der Prüfung und dem Abgleich der Patienten des...

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