Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilhabe am Arbeitsleben. Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich in WfB. Zuständigkeit des Gerichts bei Streit über vertraglich vereinbarte Vergütungssätze. Berechnung des angemessenen Vergütungssatzes. Anwendung von Vorschriften

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Streit zwischen einer WfB und der Bundesagentur für Arbeit um die Höhe der Vergütungsansprüche für Behinderte im Berufsbildungsbereich sind die Sozialgerichte zuständig. Es geht insoweit nicht um den Inhalt eines privatrechtlichen Beschaffungsvertrags.

2. Die WfB kann nur eine angemessene Vergütung beanspruchen, nicht aber den Ersatz betriebswirtschaftlich notwendiger Kosten. Grundsätzlich kann ein Vergütungssatz, der die angefallenen durchschnittlichen Kostensteigerungen aller Werkstätten in Baden-Württemberg berücksichtigt, als angemessen angesehen werden.

 

Orientierungssatz

2. Für einen Rechtsanspruch auf die Vereinbarung eines Vergütungssatzes in bestimmter Höhe bietet § 35 S 2 Nr 4 SGB 9 schon nach seinem Wortlaut keine Grundlage.

1. Die für Versorgungsverträge nach iS der §§ 109, 111 SGB 5 zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bzw Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen geltenden Rechtsgrundsätze können auf den Abschluss von Beschaffungsverträgen nach Maßgabe des § 21 SGB 9 nicht übertragen werden.

3.Bei der Berechnung der Vergütung für Leistungen im Eingangs- und Berufsbildungsbereiches in einer Werkstatt für behinderte Menschen ist § 41 Abs 3 S 1 und S 4 SGB 9 analog anzuwenden, nicht jedoch S 2 und S 3.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 2. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, Trägerin einer Werkstatt für behinderte Menschen, begehrt eine höhere Vergütung für ihre Leistungen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich (ab 1. August 2002).

Die Klägerin ist Trägerin der Werk- und Wohnstätten GmbH B., einer Werkstatt für behinderte Menschen, in der im Benehmen mit der Beklagten als Rehabilitationsträgerin Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich sowie im Arbeitsbereich und im Förder- und Betreuungsbereich (§§ 40 bzw. 41 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch, SGB IX) erbracht werden. Kostenträger des Arbeitsbereichs ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe (seinerzeit Landeswohlfahrtsverband W.); die Kosten für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich trägt die Beklagte. Die Klägerin ist durch Bescheid der Hauptstelle der Beklagten vom 27. Dezember 1982 als Werkstatt für Behinderte im Sinne von § 52 SchwbG (heute § 142 SGB IX) anerkannt.

Klägerin und Beklagte haben in der Vergangenheit, wie in § 21 SGB IX vorgesehen, Verträge über die Leistungserbringung geschlossen und darin insbesondere Vereinbarungen über Qualitätsanforderungen, den Personaleinsatz sowie die Übernahme von Grundsätzen der Rehabilitationsträger zur Leistungsvergütung getroffen. Hinsichtlich des Vergütungssatzes (Tageskostensatz je betreuter Person/Teilnahmekostensatz) für Leistungen im Berufsbildungsbereich, den die Beklagte zu tragen hat, orientierte man sich am mit dem Landeswohlfahrtsverband (als Hauptkostenträger) nach Maßgabe des § 93 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vereinbarten Vergütungssatz für Leistungen im Arbeitsbereich. Dieser wurde um einen Aufschlag für Mehrkosten des Berufsbildungsbereichs, für den (u.a.) ein anderer Personalkostenschlüssel angewendet wird (1: 6 statt 1: 12), erhöht. Nach der bis 31. Juli 2002 geltenden Vereinbarung vom 17. bzw. 28. Juli 2000 betrug der Vergütungssatz für Leistungen im Berufsbildungsbereich zuletzt (ab dem 1. Juli 2001) 43,37 €; er enthielt einen Aufschlag von 10,63 € auf den Vergütungssatz des Arbeitsbereichs. In dem Vertrag war weiter die Verpflichtung der Klägerin vereinbart, berufsfördernde Bildungsmaßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich entsprechend dem abgestimmten Rahmenprogramm (Runderlass 42/96) der Beklagten durchzuführen. Abgegolten waren mit den Teilnahmekosten auch die Kosten für Lernmittel, erforderliche Arbeitskleidung, eine Mittagsmahlzeit sowie für den WfB-Fahrdienst.

Mit Schreiben vom 18. Juni 2002 teilte die Klägerin der Beklagten mit, nachdem die Pflegesatzvereinbarungen mit dem Landeswohlfahrtsverband zum 31. Juli 2002 ausliefen, habe man zu Verhandlungen über neue Pflegesätze ab 1. August 2002 aufgefordert. Die Beklagte möge an den Verhandlungen mitwirken, um ihre Vergütungssätze für den Berufsbildungsbereich unter Berücksichtigung der mit dem Landeswohlfahrtsverband vereinbarten Pflegesätze und des bisherigen Personalschlüssels anzupassen; im Hinblick darauf habe man einen neuen Vergütungssatz von 55,32 € errechnet.

Die Beklagte erklärte sich zunächst dazu bereit, den bisherigen Vergütungssatz ab 1. August 2002 um die allgemeine Steigerungsrate von 2,4 % auf insgesamt 44,41 € anzuheben, und bot sodann einen an die mittlerweile (am 18. bzw. 20 September 2002) abgeschlossene ...

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