1.1 Vorversicherungszeit

Ein Leistungsanspruch in der Pflegeversicherung besteht, wenn die Vorversicherungszeit von 2 Jahren innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Antragstellung erfüllt ist.[1] Als Vorversicherungszeit werden Zeiten der

  • Versicherungspflicht,
  • Familienversicherung,
  • Weiterversicherung und
  • privaten Pflegeversicherung, wenn wegen Eintritt von Versicherungspflicht die private Pflegeversicherung gekündigt werden muss,

anerkannt.

 
Praxis-Beispiel

Vorversicherungszeit

 
Antrag auf Pflegeleistungen am 7.2.2024
Vorversicherungszeit 1.8.2022 bis lfd.
Pflegebedürftigkeit liegt seit Antragstellung vor  
Rahmenfrist (10 Jahre) 7.2.2014 bis 6.2.2024
Anzurechnende Vorversicherungszeit 1.8.2022 bis 6.2.2024
  = 1 Jahr, 6 Monate und 6 Tage
Leistungsanspruch ab 1.8.2024

Bei Kindern, die von Geburt oder einem frühen Kindesalter an pflegebedürftig sind, gilt die Vorversicherungszeit als erfüllt, wenn ein Elternteil sie erfüllt.[2]

1.2 Pflegebedürftigkeit/-grade

Menschen sind pflegebedürftig, wenn sie

  • gesundheitliche Beeinträchtigungen oder
  • gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen,

nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Maßstäbe für die Pflegebedürftigkeit sind

  • der Grad der Selbstständigkeit bei der Durchführung von Aktivitäten oder der Gestaltung von Lebensbereichen sowie
  • die Abhängigkeit von personeller Hilfe in allen relevanten Bereichen der elementaren Lebensführung.

Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich aber für mindestens 6 Monate, bestehen.[1]

Ermittelt wird dies in den Lebensbereichen

  • Mobilität,
  • kognitive und kommunikative Fähigkeiten,
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen,
  • Selbstversorgung,
  • Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen,
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.

Für die Bewertung der Beeinträchtigungen ist eine Skalierung von Schweregraden vorgesehen; je nach Ausprägung wird eine entsprechende Punktzahl vergeben. Die Module werden bei der Ermittlung des Pflegegrades unterschiedlich gewichtet, d. h. die Einzelpunkte der jeweiligen Modulkategorie werden summiert und dieser Gesamtwert einem gewichteten Punkt zugeordnet.

Die bisher ermittelten gewichteten modulspezifischen Punkte ergeben einen Gesamtpunktwert, der das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit bestimmt und auf dessen Grundlage der Pflegegrad[2] ermittelt wird.

Pflegegrade[3]

 
Punkte Pflegegrad Beschreibung
0 – unter 12,5 0 kein Pflegegrad
12,5 – unter 27 1 Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
27 – unter 47,5 2 Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
47,5 – unter 70 3 Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
70 – unter 90 4 Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
90 – 100 5 Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

1.2.1 Kinder bis zum 18. Lebensmonat

Bei der Ermittlung des Pflegegrades bei Kindern bis zum 18. Lebensjahr werden nur die altersunabhängigen Module 3 "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen" und 5 "Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen" herangezogen. Statt Modul 4 "Selbstversorgung" wird festgestellt, ob

  • gravierende Probleme bei der Nahrungsaufnahme oder
  • ein außergewöhnlich pflegeintensiver Hilfebedarf im Ernährungsbereich

bestehen.

Kinder dieser Altersgruppe werden pauschal einen Pflegegrad höher eingestuft.

1.2.2 Kinder bis zur Vollendung des 11. Lebensjahres

Pflegebedürftige Kinder zwischen dem 19. Lebensmonat und bis zur Vollendung des 11. Lebensjahres sind grundsätzlich mit dem Hilfsbedarf eines gesunden gleichaltrigen Kindes zu vergleichen. D. h., es wird nur die Beeinträchtigung berücksichtigt, die über die altersbedingten Beeinträchtigungen hinausgehen.

Die Begutachtungsrichtlinie (BRi) wendet hier eine andere Punktesystematik an.

1.3 Prüfung der Pflegebedürftigkeit

Der Medizinische Dienst (MD) oder ein unabhängiger Gutachter prüft im Auftrag der Pflegekasse, ob Pflegebedürftigkeit vorliegt und wenn ja, welcher Pflegegrad erreicht wird. Die Begutachtung erfolgt meist im häuslichen Bereich in einem angekündigten Besuch[1].

Der MD/Gutachter hat innerhalb von 25 Arbeitstagen die Begutachtung durchzuführen[2]. Eine kürzere Frist von

  • 5 Arbeitstagen gilt bei Krankenhausaufenthalt, Aufenthalt in einem Hospiz oder während einer ambulant palliativen Versorgung, wenn

    • dies zur Sicherstellung der weiteren Versorgung erforderlich ist oder
    • die Inanspruchnahme von Pflegezeit oder Familienpflegezeit gegenüber dem Arbeitgeber angekündigt wurde[3],
  • 10 Arbeitstagen gilt, wenn sich der Antragsteller in häuslicher Umgebung befindet und die Inanspruchnahme von Pflegezeit oder Familienpflegezeit gegenüber dem Arbeitgeber angekündigt wurde[4].

Die Pflegekasse trifft unter maßgeblicher Berücksichtigung des Pflegegutachtens die Leistungsentscheidung.

 
Hinweis

Zahlungspflicht bei Fristüberschreitung ("Verzögerungsgebühr...

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