Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung des Schichtmodells durch geänderte Betriebsvereinbarung zur Verteilung der Arbeitszeit. Unbegründete Klage auf Beschäftigung zu den alten Arbeitszeitbedingungen bei unzureichenden Darlegungen zur Unwirksamkeit der neuen Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Betriebsvereinbarung wirkt gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend zwischen den Arbeitsvertragsparteien.

2. Das Wesen einer Betriebsvereinbarung zur Verteilung der Arbeitszeit besteht gerade darin, dass sie bei geänderten Umständen ihrerseits geändert wird; damit dabei auch die Interessen der Beschäftigten des Betriebs berücksichtigt werden, unterliegt diese Änderung der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

3. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Regelungen zur Verteilung der Arbeitszeit in verschiedenen Bereichen eines Betriebs je nach den betrieblichen Erfordernissen unterschiedlich erfolgen; dass eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit nur noch in einem Arbeitsbereich ("Halle 26") angewendet wird, ist unerheblich, soweit bei der Geltung oder Anwendung der Betriebsvereinbarung in diesem Bereich keine Unterschiede gemacht werden.

4. Der Betriebsrat muss bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht nur die Interessen einzelner Beschäftigter sondern der Belegschaft insgesamt im Auge haben; das mag für Einzelne zu Unannehmlichkeiten führen, ist aber im Interesse der Gesamtheit hinzunehmen.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 4, § 87 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 27.11.2013; Aktenzeichen 4 Ca 2318/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27.11.2013 - 4 Ca 2318/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Betriebsvereinbarung "Schichtarbeit" vom 11.04.2014.

Der Kläger ist jetzt 50 Jahre alt. Er ist seit dem Jahr 2000 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt und in der Halle 26 eingesetzt. Die Beklagte stellt Bremsbeläge her. Sie beschäftigt ca. 950 Arbeitnehmer, hiervon ca. 700 in der Produktion. Bei der Beklagten ist ein dreizehnköpfiger Betriebsrat gebildet. Die Beklagte ist tarifgebunden. Für sie gelten die Tarifverträge für die westdeutsche chemische Industrie.

Für die Produktion der Bremsbeläge unterhält die Beklagte auf ihrem Betriebsgelände in G. Hallen mit den Bezeichnungen Halle 6, Halle 7, Halle 8, Halle 26 und Halle 61. Der Kläger ist ausschließlich in der Halle 26 tätig. In dieser Halle werden die für die Herstellung der Bremsbeläge erforderlichen sogenannten Bleche sowohl für Pkw- als auch für Lkw-Räder gesintert. Die Aufgabe des Klägers und seiner in der Halle 26 beschäftigten Kollegen besteht darin, die Bleche ordnungsgemäß zu stapeln und somit für die Produktion vorzubereiten. Die hierbei verwendeten Bleche wiegen zwischen 100 g und 1,7 kg. Pro Vorgang werden vom Kläger zehn Bleche, somit bis zu 17 kg bewegt. Nach der Behandlung in den Brandöfen haben diese Bleche eine Temperatur von ca. 100 Grad. An den drei Brandöfen in Halle 26 werden 45 Mitarbeiter eingesetzt. Eine Vielzahl dieser Mitarbeiter führen Parallelrechtsstreitigkeiten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Arbeitsorganisation und der zu verrichtenden Tätigkeiten wird auf die Ausführungen in der Klagschrift verwiesen.

Der Kläger und seine 44 Kollegen in der Halle 26 haben bis Mai 2013 auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung "7-Tage-Nutzung Sinterrauhgrundöfen (Vollkontischichtmodell - VKSM) vom 17.12.2002 gearbeitet (Anlage K3). Neben anderen Regelungen ist in Teil 3 dieser Betriebsvereinbarung das Schichtmodell vereinbart. Danach hatte der Kläger sechs Tage in einem sog. Vollkontischichtmodell zu arbeiten, d.h. auch durchgehend an Samstagen und Sonntagen. Der Kläger leistete zunächst an zwei Tagen die Frühschicht, danach an zwei Tagen die Spätschicht und sodann an zwei Tagen die Nachtschicht. Wenn der Kläger sodann z.B. an einem Montag um 6:00 Uhr aus der Nachtschicht kam, hatte er den gesamten Montag, den Dienstag, den Mittwoch sowie den Donnerstag, d.h. an insgesamt vier Tagen tagsüber frei und musste an dem dann folgenden Freitag um 5:45 Uhr mit der Frühschicht wieder beginnen. Der Kläger hatte hiernach einen sog. 6/4 Tage-Rhythmus.

Im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens haben die Beklagte und der Betriebsrat am 11.04.2013 eine neue Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die seit dem 21.05.2013 gilt. Hiernach ist der Schichtrhythmus nunmehr von 6/4 Tagen auf 6/3 Tage umgestellt worden. Nach vorgenanntem Beispiel hätte der Kläger nunmehr bereits am Donnerstag mit der Frühschicht um 5:50 Uhr seine Tätigkeit aufzunehmen. Daneben enthält die Betriebsvereinbarung weitere Änderungen, die der Kläger als Verschlechterung gegenüber der vormaligen Betriebsvereinbarung wertet.

Mit der am 09.09.2013 erhobenen Klage hat der Kläger die Betriebsvereinbarung angegriffen und die Ansicht vertreten, die am 11.04.2013 abgeschlossene Betriebsvereinbarung "Schich...

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