Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Geheimhaltungspflichten bezüglich eines mit der Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan mitgeteilten Personalabbaus. Feststellungsantrag des Betriebsrats bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu sachlich begründetem und objektiv berechtigtem Geheimhaltungsinteresse

 

Leitsatz (amtlich)

Informationen über einen geplanten betriebsändernden Personalabbau als Geschäftsgeheimnis

1. Ein dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter interessenausgleichspflichtiger Personalabbau als solcher und dessen Umfang kann nicht per se zu einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 79 BetrVG deklariert werden.

2. Etwas anderes gilt nur in Bezug auf einzelne bestimmte Tatsachen und nur dann, wenn der Arbeitgeber an deren Geheimhaltung ein konkretes sachliches und objektiv berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat.

 

Normenkette

BetrVG §§ 111-112, 79; RL 2002/14/EG Art. 6 Abs. 3; BetrVG § 79 Abs. 1 S. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1; EGRL 14/2002 Art. 6 Abs. 3 Fassung: 2002-03-11

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 13.11.2014; Aktenzeichen 3 BV 36 d/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 13.11.2014 - 3 BV 36 d/14 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine dem Betriebsrat mitgeteilte geplante Betriebsänderung in Form eines Personalabbaus der Geheimhaltung im Sinne des § 79 BetrVG unterliegt.

Die Arbeitgeberin ist ein führendes Unternehmen der Pharmaindustrie mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Neben der Produktion und dem Innendienst wird ein bundesweiter Außendienst eingesetzt, in dem die Mitarbeiter in drei sogenannten Linien beschäftigt werden. Eine dieser Linien ist der Bereich "Diabetes" mit bei Einleitung des Verfahrens ca. 300 Mitarbeitern.

Bei dem Antragsteller handelt es sich um den dort gebildeten 15-köpfigen Betriebsrat.

Am 07.07.2014 initiierte die Arbeitgeberin für sämtliche Arbeitnehmer eine bis zum 14.10.2014 laufende 100-Tage-Aktion: "Alle geben ihr Bestes", mit der zu besonderem Einsatz, zu spezieller Prioritätensetzung und besonderer Kreativität aufgefordert wurde (Anlage 9, Bl. 36 d.A.).

Am 29.08.2014 unterrichtete die Arbeitgeberin den Wirtschaftsausschuss und den Betriebsrat in einer gemeinsamen Sitzung über eine geplante Betriebsänderung in Form eines Personalabbaus im Bereich Diabetes-Außendienst von 285 Stellen (Stand 29.08.2014) auf null Stellen per 01.11.2014. Als Zieltermin für den Abschluss aller erforderlichen Vorbereitungen und die Umsetzung wurde "spätestens 01.11.2014" angegeben (Anlage 1, Bl. 20 d.A.). Die Arbeitgeberin unterbreitete zugleich konkrete Terminvorschläge für Verhandlungen zwischen den Beteiligten und teilte als "nächste Schritte" die Aufnahme von Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan mit.

Die Arbeitgeberin erklärte in diesem Zusammenhang die dem Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss "übergebenen Unterlagen und mitgeteilten Informationen zu den noch nicht abgeschlossenen Vorüberlegungen zur Restrukturierung des Unternehmens mit möglichem Personalabbau als streng vertrauliche Geschäftsgeheimnisse" und erklärte sie ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig nach § 79 BetrVG" (Anlage 1, Bl. 12 ff. d. A., Anlage AGeg. 1, Bl. 82 d.A.). Die Geheimhaltungsbedürftigkeit begründete sie in der Power-Point-Präsentation wie folgt:

- Unruhe und Befürchtungen im Unternehmen bereits präsent

- Schwerwiegende und weitreichende Entscheidung, - gemeinsam eine Lösung erarbeiten

- Den Mitarbeitern helfen, indem gemeinsam eine Lösung kommuniziert wird.

(Anlage 1, Bl. 21 d.A.)

Mit Anwaltsschreiben vom 02.09.2014 forderte der Betriebsrat unter Hinweis auf eine bald beabsichtigte Unterrichtung der Betriebsöffentlichkeit Klarstellung, warum es sich bei dem beabsichtigten Personalabbau um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis handele (Anlage 2, Bl. 22 ff d. A.).

Hierauf antwortete die Arbeitgeberin auszugsweise wie folgt:

1. Sämtliche im Rahmen der Unterrichtung vom 29.08.2014 geteilten Informationen sind Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im Sinne des Gesetzes und unterliegen der Geheimhaltung.

2. Die einseitige Veröffentlichung von Informationen stellt eine massive Belastung der vertrauensvollen Zusammenarbeit dar.

3. Die Arbeitgeberin wird jedes Betriebsratsmitglied persönlich straf- und haftungsrechtlich voll für seine Tätigkeit verantwortlich machen.

4. .....

(Anlage A3, Bl. 25 f d.A.).

Am 04.09.2014 wandte sich der Betriebsrat unter dem Betreff "geheim" an die Mitarbeiter und teilte mit, dass er über eine geplante mitbestimmungspflichtige Maßnahme im Diabetes-Außenbereich unterrichtet worden sei und der Arbeitgeber die mitgeteilten Informationen unter Strafandrohung als geheimhaltungspflichtig deklariert habe. "Wir denken nicht, dass diese einschneidende Maßnahme der Geheimhaltungspflicht unterliegt und befinden uns gerade in anwaltlicher Klärung, denn wir möchten u...

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