Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Arbeitszeitreduzierung. Teilzeit- u. Befristungsgesetz, einstweilige Verfügung, entgegenstehende betriebliche Gründe. Verringerung der Arbeitszeit. Teilzeitanspruch, Kinderbetreuung. Leistungsverfügung, Befriedigungsverfügung. Wesentliche Nachteile für den Arbeitgeber. Unternehmerische Entscheidung. Vollzeitstellen. Darlegung eines unternehmerischen Konzepts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Reduzierung seiner Arbeitszeit gem. § 8, I des Gesetzes über die Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) kann grundsätzlich auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Da es sich bei der begehrten einstweiligen Verfügung jedoch um eine sogenannte Leistungsverfügung handelt, die nicht nur der Sicherung dient, sondern zu einer teilweisen oder völligen Befriedigung des streitigen Anspruchs führt, sind an Darlegung und Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund strenge Anforderungen zu stellen.

2. Dem Verfügungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 8, 1 TzBfG kann der Arbeitgeber gem. § 8, IV S. 1 TzBfG betriebliche Gründe entgegensetzen. Betriebliche Gründe in diesem Sinne müssen zwar nicht dringend sein; aus § 8, I S. 1 TzBfG folgt jedoch, dass die wunschgemäße Verringerung der Arbeitszeit mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein muss, um den Arbeitgeber zur Ablehnung der Arbeitszeitverkürzung zu berechtigen.

3. Beruft Sich der Arbeitgeber auf eine unternehmerische Entscheidung, im fraglichen Bereich nur Vollzeitarbeit zu ermöglichen, hat er insoweit ein schlüssiges Konzept darzulegen. Gegen das behauptete Bedürfnis nach einer Vollzeitkraft spricht, wenn der Arbeitgeber eine jahrelange Abwesenheit des Arbeitnehmers, bedingt durch Erziehungsurlaub, ohne Einstellung einer Ersatzkraft überbrücken konnte.

4. Der Verfügungsgrund setzt voraus, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich erscheint. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer, ohne die beantragte Arbeitszeitverkürzung nicht in der Lage ist, die Betreuung seiner Kinder Zuverlässig zu gewährleisten. Er hat insoweit darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, die Betreuung der Kinder sicherzustellen.

5. Dem Arbeitgeber kann deshalb im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben werden, den Arbeitnehmer in dem von ihm beantragten Rahmen bis zum Erlass des Urteils in der Hauptsache zu beschäftigen und seinem Teilzeitbeschäftigungswunsch vorläufig zu entsprechen. Sofern sich allerdings im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Arbeitszeitverkürzung gem. § 8 TzBfG nicht zusteht, wird er dafür zu sorgen haben, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen mit den Notwendigkeiten seines Privatlebens in Einklang zu bringen.

 

Normenkette

TzBfG §§ 8, 8 Abs. 4; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 12.04.2002; Aktenzeichen 6 Ga 173/02)

 

Tenor

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Aktz. 6 Ca 173/02 – vom 08.02.02 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag der Klägerin auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden einstweilen bis zum Erlaß einer erstinstanzlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren (Arbeitsgericht Mainz – 6 Ca 75/02 –) zuzustimmen und die Arbeitszeit auf Montag bis Freitag, 8.00 bis 12.00 Uhr festzulegen.

2.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin steht seit 01.02.1990 als Fremdsprachenkorrespondentin in den Diensten der Beklagten bei einem Monatsverdienst von zuletzt 2.607,59 EURO.

Sie hat zwei Kinder im Alter von drei und sechs Jahren und will, um die Betreuung dieser Kinder sicherzustellen, von der bisherigen Vollzeittätigkeit in eine Teilzeittätigkeit mit 20 Wochenstunden, verteilt auf Montag bis Freitag jeweils von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr wechseln.

Die Klägerin befand sich von 1996 bis zum 27.01.2002 in Erziehungsurlaub. Mit Schreiben vom 15.11.2001 stellte sie den formellen Antrag, ab dem 28.01.2002 in Teilzeit mit 20 Stunden pro Woche, verteilt von montags bis freitags, 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr, beschäftigt zu werden.

Die Beklagte hat diesen Antrag mit Schreiben vom 17.12.2001 abgelehnt.

Die Klägerin hat den Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit im Hauptsacheverfahren (Arbeitsgericht Mainz – 6 Ca 25/01 –) geltend gemacht; dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren erstrebt die Klägerin eine einstweilige Regelung, durch die ihr gestattet wird, bis zur Entscheidung in der Hauptsache in Teilzeit montags bis freitags jeweils von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr zu arbeiten.

Die Beklagte lehnt die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin unter Bezugnahme auf entgegenstehende betriebliche Gründe ab. Sie beruft sich darauf, dass sie die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, Fremdsprachenkorrespondent innen nur in Vollzeit zu beschäftigen. Es bestehe auch die Notw...

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