Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsverhältnis einer Korrekturleserin in Zeitungsverlag bei vollständiger Eingliederung in die betrieblichen Abläufe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Abgrenzung "abhängiger" Beschäftigung von "freier" Mitarbeit gibt es kein Einzelmerkmal, das aus der Vielzahl möglicher Merkmale unverzichtbar vorliegen muss; inhaltlich ist maßgeblich darauf abzustellen, inwieweit durch Fremdbestimmung der Arbeit in fachlicher, zeitlicher, örtlicher und organisatorischer Hinsicht eine persönliche Abhängigkeit der Dienstleistenden gegeben ist.

2. Für Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses erbracht werden können, gilt der Grundsatz, dass bei untergeordneten (einfachen) Arbeiten eher eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation anzunehmen ist als bei gehobenen Tätigkeiten; bei einfachen Tätigkeiten und insbesondere manchen mechanischen Handarbeiten bestehen von vornherein nur geringe Gestaltungsmöglichkeiten, so dass schon wenige organisatorische Weisungen die Beschäftigte in der Ausübung der Arbeit so festlegen können, dass von einer im Wesentlichen freien Gestaltung der Tätigkeit keine Rede mehr sein kann.

3. Bei der Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von freier Mitarbeit sind die das jeweilige Rechtsverhältnis prägenden charakteristischen Merkmalen gegeneinander abzuwägen, wie sie sich aus dem Inhalt des Beschäftigungsvertrages und insbesondere der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen ergeben.

4. Hat eine als Korrekturleserin bei einer Tageszeitung beschäftigte Germanistin die zu bearbeitenden Manuskripte vom Zeitpunkt des Bereitliegens an zu bearbeiten und sich einen Endtermin einzuhalten, um die Produktion der Zeitung nicht zu gefährden, und ist sie aufgrund einer ausdrücklichen Anweisung der Dienstberechtigten auch verpflichtet, die Korrekturarbeiten im Betrieb der Dienstberechtigten an einem dort für sie bereit gestellten Platz auszuführen, ist die Dienstverpflichtete vollständig in die betriebliche Organisation der Dienstberechtigten eingliedert und damit vollständig fremdbestimmt beschäftigt.

5. Eine Vergütungsvereinbarung stellt im Zweifel eine Bruttovereinbarung dar; das gilt auch bei einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 8 Abs. 4 SGB IV.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1; HGB § 84 Abs. 1 S. 2; SGB IV § 8 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 21.05.2014; Aktenzeichen 1 Ca 1506/13)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 21.05.2014 - 1 Ca 1506/13 - teilweise aufgehoben.
  2. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, dass durch die Erklärung der Beklagten vom 08.10.2013 nicht zum 14.10.2013 aufgelöst worden ist.
  3. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
  4. Die Kosten beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.
  5. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, wie ein zwischen ihnen bestehendes Rechtsverhältnis zu qualifizieren ist, des Weiteren über die Beendigung dieses Rechtsverhältnisses durch Kündigung sowie darüber, ob der Klägerin noch Entgeltzahlungsansprüche gegenüber der Beklagten zustehen.

Die Beklagte erstellt und vertreibt im Kerngeschäft eine Tageszeitung. Die Klägerin war bei der Beklagten als Korrekturleserin seit dem 01.06.2010 beschäftigt zu einer Vergütung von 10 Euro pro Stunde. Die Parteien haben den ihrem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Vertrag mündlich abgeschlossen.

Die Aufgabe der Klägerin, einer ausgebildeten Germanistin, bestand darin, die seitens der Redakteure der Beklagten erstellten Artikel auf grammatikalische und auf Rechtschreibfehler sowie auch auf offensichtliche inhaltliche Fehler zu überprüfen. Dafür arbeitete die Klägerin zuletzt in der Regel zwischen montags und freitags täglich von 13.00 Uhr bis 19.30 Uhr und 2 Mal pro Monat sonntags in den Räumen der Beklagten. Die Klägerin leistete ihre Tätigkeit dergestalt, dass sie aus einem Fach in den Räumen der Beklagten die zu korrigierenden Entwürfe entnahm und nach der Korrektur wieder einlegte. Sie nützte dabei einen Schreibtisch, den außer ihr an ihren dienstfreien Tagen eine weitere Korrekturleserin nutzte. Die Klägerin erhielt weder einen eigenen PC noch eine eigene Telefonnummer bzw. eine eigene Email-Adresse bei der Beklagten. Sie rechnete die gearbeiteten Stunden monatlich zu der vereinbarten Vergütung von 10 Euro pro Stunde ab und erzielte zum Beispiel im Monat September 2013 eine Monatsvergütung von 1.645,00 EUR.

Am 08.10.2013 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, sie wolle das Rechtsverhältnis der Parteien in seiner bis dahin gelebten Form bis zum 14.10.2013 beenden und bei Zustimmung der Klägerin umwandeln in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis.

Die Klägerin hat vorgetragen,

sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten. Dies folge insbesondere daraus, dass sie weisungsgebunden gearbeitet habe. So habe sie du...

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