Entscheidungsstichwort (Thema)

Bruttogehaltslisten. Bruttolohnlisten. Einblicksrecht. Einsichtnahmegewährung. Einsichtnahme des Betriebsrats in Lohn- und Gehaltslisten

 

Leitsatz (amtlich)

Das Einblicksrecht des Betriebsrats in die Bruttolohn- und -gehaltslisten verstößt weder gegen deutsches noch gegen Unionsdatenschutzrecht, auch wenn ein Teil der Arbeitnehmer der Einsicht in ihre Unterlagen widersprochen hat.

 

Normenkette

BDSG § 28 Abs. 1, § 3 Abs. 7-8; BetrVG § 80 Abs. 2 S. 2 Hs. 2; Richtlinie 95/46/EG Art. 2d, 2f, 7b, 8 Abs. 1, 2a; BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 1, § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 10; BDSG § 1 Abs. 3 S. 1, § 3 Abs. 8 S. 2, § 5; Richtlinie 46/1995/EG Art. 2 Buchst. d Fassung: 1995-10-24, Buchst. f Fassung 1995-10-24, Art. 7 Buchst. b Fassung: 1995-10-24, Art. 8 Abs. 1 Fassung: 1995-10-24, Abs. 2 Buchst. a Fassung: 1995-10-24

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 08.02.2011; Aktenzeichen 13 BV 6/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 14.01.2014; Aktenzeichen 1 ABR 54/12)

 

Tenor

Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 08.02.2011 - 13 BV 6/10 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Arbeitgeber aufgegeben wird, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied die Einsichtnahme in die Bruttolohn- und -gehaltslisten der Arbeitnehmer, mit Ausnahme der leitenden Angestellten, inklusive sämtlicher Lohnbestandteile des Monats April 2010 zu gewähren.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über das Recht des Betriebsrats, in die Lohn- und Gehaltslisten Einblick zu nehmen, im vorliegenden Verfahren hinsichtlich des Monats April 2010, in einem weiteren, noch in erster Instanz anhängigen Verfahren hinsichtlich weiterer Entgeltzahlungszeiträume.

Der Arbeitgeber betreibt eine Neurochirurgische Klinik. Er hat Haustarifverträge mit der Gewerkschaft DHV, neuerdings mit der Gewerkschaft medsonet abgeschlossen. Er beschäftigt ca. 120 Arbeitnehmer, von denen ein Teil außertariflich vergütet wird, teilweise unter Beteiligung am ärztlichen Liquidationserlös.

Der Betriebsrat hat nach seiner Neuwahl vom 04.05.2010 in seiner Sitzung am 02.08.2010 einstimmig erneut beschlossen, seine Verfahrensbevollmächtigten mit der Einleitung eines Beschlussverfahrens zu beauftragen mit dem Ziel, den Arbeitgeber zu verpflichten, ihm Einblick in die Lohn- und Gehaltslisten zu gewähren (Ladung vom 30.07.2010, Bl. 62 d. A., Protokoll der Betriebsratssitzung vom 02.08.2010, Bl. 64 d. A., Anwesenheitsliste, Bl. 65 d. A.).

Im vorliegenden Verfahren hat der Betriebsrat bezogen auf die nicht leitenden Arbeitnehmer beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsichtnahme in die Bruttolohn- und -gehaltslisten der Arbeitnehmer inklusive sämtlicher Lohnbestandteile des Monats April 2010 zu gewähren.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber hat darauf verwiesen, dass - unstreitig - fast die Hälfte der Arbeitnehmer der Einsichtnahme in ihre Lohnunterlagen widersprochen habe. Gerade bei hoch- und höchstqualifizierten Mitarbeitern komme es zu freien Gehaltsfindungen, sodass für das Einsichtsrecht des Betriebsrats keine Veranlassung bestehe. Im Übrigen verstoße das Einblicksrecht gegen deutsches- und Unionsdatenschutzrecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe I. des Beschlusses vom 08.02.2011 Bezug genommen, mit dem das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben hat. Wegen der Begründung seiner Entscheidung wird auf die Gründe II. des Beschlusses Bezug genommen, der dem Arbeitgeber am 07.03.2011 zugestellt worden ist und gegen den er am 06.04.2011 Beschwerde eingelegt hat, die er am 07.06.2011 begründet hat, nachdem auf seinen Antrag mit Beschluss vom 06.05.2011 die Beschwerdebegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Der Arbeitgeber greift den Beschluss aus den in seiner Beschwerdebegründung vom 07.06.2011 wiedergegebenen Gründen an. Auf die Beschwerdebegründungsschrift wird Bezug genommen.

Der Arbeitgeber beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde dahingehend zurückzuweisen, dass dem Arbeitgeber aufgegeben wird, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten der Arbeitnehmer mit Ausnahme der leitenden Angestellten hinsichtlich sämtlicher Lohnbestandteile des Monats April 2010 zu gewähren.

Der Betriebsrat verteidigt den angegriffenen Beschluss nach Maßgabe seiner Beschwerdeerwiderung vom 30.06.2011, auf die gleichfalls Bezug genommen wird.

II. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 87 Abs. 1 und 2, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig aber unbegründet.

A. Der Antrag ist zulässig.

1. Der Betriebsrat hat die Einleitung des Verfahrens und die Bevollmächtigung seiner Verfahrensbevollmächtigten zumindest am 02.08.2010 wirksam be...

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