Entscheidungsstichwort (Thema)

Spätehenklausel in Versorgungsordnung. Unbegründete Zahlungsklage bei Eheschließung nach längerem Zusammenleben

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Spätehenklausel, nach der die Witwenrente voraussetzt, dass die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen wurde, ist unabhängig davon, ob sie die Betroffenen mittelbar oder auch unmittelbar wegen des Lebensalters benachteiligt, gemäß § 10 AGG ein zur Verfolgung des rechtmäßiges Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung gerechtfertigt und als Mittel zur Erreichung dieses Ziels (Ausschluss der Witwenrente) angemessen und erforderlich.

2. Mit der Spätehenklausel wird das Interesse des Arbeitnehmers, die Versorgung seiner Ehefrau zu erdienen und sicherzustellen, von dem Interesse der Arbeitgeberin abgegrenzt, das Ruhegeld als Teil des Arbeitslohns kalkulierbar zu halten; die Regelung wird von der sachgerechten Erwägung getragen, dass Witwenbezüge nur einer Witwe des Arbeitnehmers zustehen sollen, die nach ihrem Lebensalter noch zu seiner Generation gehört und auch seine Berufsarbeit durch ihre Fürsorge mitträgt.

3. Der mit der Spätehenklausel verfolgte Zweck einer finanziellen Risikobegrenzung ist legitim und auch nicht willkürlich, denn im Gegensatz zur versorgungsnahen Ehe verfügt der Ehegatte bei Eingehen einer Frühehe in der Regel über keine ausreichenden aufgrund eigener Erwerbstätigkeit erworbenen Versorgungsanwartschaften, weil er entweder erst kurz im Erwerbsleben steht oder die Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung seiner Kinder aufgegeben hat; demgegenüber ist bei der versorgungsnahen Ehe eher anzunehmen, dass der Ehegatte bei Eheschließung entweder über eigenen Versorgungsanwartschaften oder Vermögen verfügt und er daher nicht auf Hinterbliebenenversorgung als Unterhalt in demselben Maße angewiesen ist wie eine junge Familie.

4. Das bei Eheabschluss erreichte Lebensalter des Arbeitnehmers wirkt sich auf die von der Arbeitgeberin übernommenen Versorgungsrisiken erheblich aus, da mit zunehmendem Alter des Arbeitnehmers der Versorgungsfall Tod statistisch gesehen immer näher rückt; die Spätehenklausel vermeidet, dass ein bisher nicht bestehendes hohes Versorgungsrisiko relativ spät neu geschaffen wird.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 7, 10 Sätze 1-2, 3 Nr. 4; BGB §§ 242, 611 Abs. 1; BetrAVG § 1 Abs. 1, § 1b Abs. 1; AGG § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 04.06.2012; Aktenzeichen 3 Ca 9945/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 04.06.2012 - Az.: 3 Ca 9945/11 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob die Klägerin von der Beklagten eine Hinterbliebenenversorgung beanspruchen kann.

Die Klägerin ist die Witwe des am 29.4.1947 geborenen und am 14.12.2010 verstorbenen Herrn Hans-Georg A.. Die Ehe wurde nach einem Zusammenleben seit 1992 und einer Verlobung zu Ostern 1993 am 8.8.2008 geschlossen.

Der Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der E., auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22.8.1989 (Bl. 13 bis 18 d.A.) seit dem 1.12.1989 beschäftigt, zuletzt in einem Altersteilzeitmodell. Im Anstellungsvertrag vom 22.8.1989 stand unter Ziffer 4 mit der Überschrift "Nebenleistungen" u. a. (Bl. 15 d.A.):

"a. Bei der E. existiert ein Pensionsplan, der zur Zeit überarbeitet wird. Wir sichern Ihnen zu, dass Sie durch den neuen Plan nicht schlechter gestellt werden als die Mitarbeiter unserer Muttergesellschaft, der F. ..."

Ein neuer Pensionsplan kam unstreitig nicht zu Stande. In der Versorgungsordnung mit Datum 01.07.1982 (Bl. 30 bis 54 d.A.) der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der E., die zum 1.1. 1999 nach einem Betriebsübergang in C. (= die Beklagte) umfirmierte, stand unter Ziffer VII mit der Überschrift "Anspruchsvoraussetzung für Witwenrente" (Bl. 34 d.A.):

"1. Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt die hinterlassene Ehefrau eines Mitarbeiters (Anwärters) mit dessen Tode.

Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, daß der Mitarbeiter (Anwärter) die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat und daß, bereits am 1. Mai vor seinem Tode sowohl die Wartezeit (III) abgelaufen ist, als auch die Ehe mindestens ein Jahr bestanden hat.

1. Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt auch die hinterlassene Ehefrau eines früheren Arbeitnehmers, der bis zu seinem Tode selbst Anspruch auf Firmenrente (V1, V2, VI) gehabt hat.

Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, dass der Rentenempfänger die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres und vor dem Erwerb des Anspruchs auf Firmenrente geschlossen hat und daß bereits am 1. Mai vor seinem Tode die Ehe mindestens ein Jahr bestanden hat.

2. Bei Freitod ist die Firma nicht verpflichtet, eine Witwenrente zu zahlen."

Mit Datum 4. Januar 2011 erhielt die Klägerin von der F. ein Schreiben mit der Überschrift "Hinterbliebenenzahlung" (Bl. 26 d.A.) mit dem folgenden Anfangssatz:

"Sehr geehrte Frau A.,...

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