Entscheidungsstichwort (Thema)

Diskriminierung. Alter. Religion. Indizien. Merkmalsträger

 

Leitsatz (amtlich)

§ 22 AGG setzt den Vortrag von Indizien, die auf eine Diskriminierung schließen lassen, voraus. Der Vortrag darf sich nicht darauf beschränken, darzustellen, dass der Anspruchsteller Träger eines oder mehrerer Merkmale aus § 1 AGG ist.

In einem mehrstufigen Bewerbungsverfahren liegt die Ungleichbehandlung in der Versagung des Zugangs zur nächsten Verfahrensstufe. Haben andere Merkmalsträger diesen Zugang geschafft, widerlegt dies, dass diskriminierende Merkmale ausschlaggebend für die Entscheidung waren.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 22

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 16.06.2010; Aktenzeichen 2 Ca 10973/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.06.2010 – Az.: 2 Ca 10973/09 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen diskriminierender unterlassener Einstellung.

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keine Indizien im Sinne des § 22 AGG dargestellt, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Da zudem Bewerber in die nächste Stufe des mehrstufigen Bewerbungsverfahrens aufgenommen wurden, die ebenfalls Träger von diskriminierenden Merkmalen waren, steht vielmehr fest, dass die Beklagte bei der Entscheidung, welche Mitbewerber des Klägers in die nächste Stufe des Bewerbungsverfahrens aufgenommen wurden, sich von dem Vorhandensein diskriminierender Merkmale nicht hat leiten lassen.

Die bloße Tatsache, Träger von diskriminierenden Merkmalen zu sein, ist kein Indiz, welches eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lässt. Vielmehr ist ein Sachverhalt darzustellen, der über die Tatsache, dass der Kläger Muslim ist und zum Bewerbungszeitpunkt 51 Jahre alt war, also Merkmalsträger ist, hinaus geht (vgl. BAG vom 22.10.2009 – 8 AZR 642/08 –). Solche Indizien sind nicht dargelegt.

Die Tatsache, dass dem Kläger beim türkischen Sprachtest die Benutzung eines Wörterbuchs untersagt wurde, stellt kein solches Indiz im Sinne des § 22 AGG dar. Dies diente vielmehr der Gleichbehandlung aller Kandidaten, da die weiteren acht mit dem Kläger gemeinsam getesteten Bewerber ohnehin kein Wörterbuch benutzen wollten und benutzt haben. Soweit ein Bewerber aus Heidelberg, der, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, hinter ihm saß, ebenfalls im Besitz eines Wörterbuchs während des Tests war, konnte der Kläger nicht substantiiert schildern, ob dieses Wörterbuch tatsächlich bei der Fertigung des Testergebnisses benutzt wurde. Der Kläger hätte substantiiert darstellen müssen, ob dieser Bewerber oder diese Bewerberin nach der Erklärung, dass der Kläger kein Wörterbuch benützen dürfe, sich hieran nicht gehalten hat. Da durch das Benutzungsverbot gegenüber dem Kläger erstmals gleiche Testbedingungen für alle Stellenbewerber hergestellt wurden (acht Testkandidaten haben unstreitig nicht beabsichtigt gehabt, ein Wörterbuch zu benutzen), liegt hierin somit kein Diskriminierungsindiz.

Auch die Tatsache, dass der Kläger erst während des Tests und nicht bereits vorher darauf hingewiesen wurde, dass er Wörterbücher nicht benutzen dürfe, ist als Indiz im Sinne des § 22 AGG nicht geeignet. Ein solcher Hinweis war erst dann erforderlich, als der Kläger sich tatsächlich anschickte, das Wörterbuch zu benutzen. Hätte er es während des Tests nicht benutzt, hätte auch kein Hinweis erfolgen müssen. Offensichtlich hat die Beklagte überhaupt nicht damit gerechnet, dass der Kläger die Benutzung im Test beabsichtigte, da auch acht weitere Mitglieder der Testgruppe während des Tests keinerlei Wörterbücher benutzt haben.

Der Kläger hat auch nicht eine konkrete Reaktion der Interviewpartnerin, auf seine Erklärung, er sei säkularer Muslim, dargestellt. Eine konkrete Reaktion auf diese erst im Laufe des Interviews mitgeteilte Tatsache konnte der Kläger nicht schildern. Eine Äußerung der Interviewpartnerin zu dieser Mitteilung des Klägers ist offensichtlich nicht erfolgt.

Auch die Behauptung des Klägers, er habe die dritte Seite des Englischtests ausgefüllt, ist nicht in der geeigneten Weise unter Beweis gestellt worden. So hat der Kläger zum einen nicht dargestellt, welche Antworten er dort gegeben haben will. Die in der ersten Instanz noch angekündigten Handyfotos der von ihm ausgefüllten Testseiten sind nicht vorgelegt worden. Zudem spricht gerade das Indiz, dass der Kläger bereits vor der gesetzten Zeit mit dem Englischtest fertig war, während andere Mitbewerber mit der Zeit nicht ausgekommen sind, dafür, dass der Kläger schlicht eine Seite des Testes übersehen hat. In diesem Fall sind auch keine Fingerabdrücke auf dem Papier zu erwarten.

Auch die Tatsache, dass der Kläger in seinen Testergebnissen nur einen Punkt Abstand zu den Bewerbern hat...

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