Entscheidungsstichwort (Thema)

Weiterbeschäftigung eines Betriebsratsmitglieds im ungekündigten Arbeitsverhältnis während des Zustimmungsersetzungsverfahrens. Einstweilige Verfügung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber kann ein Betriebsratsmitglied während des Zustimmungsverfahrens nach § 103 BetrVG nur dann einseitig von der Arbeitspflicht suspendieren, wenn der Weiterbeschäftigung überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, die eine Verhinderung der Beschäftigung geradezu gebieten.

Eine einseitige Suspendierung eines Betriebsratsmitglieds ist während des laufenden Zustimmungsverfahrens nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig, etwa wenn bei Weiterbeschäftigung erhebliche Gefahren für den Betrieb oder der dort tätigen Personen objektiv bestehen oder die durch konkrete Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass es zu Störungen des Betriebsfriedens oder des betrieblichen Ablaufs kommt. Eine einseitige Freistellung kann auch dann in Betracht kommen, wenn der durch objektive Tatsachen gesicherte dringende Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen schweren Arbeitsvertragsverletzung besteht.

 

Normenkette

BetrVG § 103; BGB §§ 611, 613, 242; ZPO §§ 936, 940

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Entscheidung vom 06.11.2001; Aktenzeichen 2 Ga 31/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 06.11.2001 – 2 Ga 31/01 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren seine vorläufige Weiterbeschäftigung bei der Beklagten geltend.

Der am 28.03.1968 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 01.08.1984 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Elektrobranche mit Betrieben in O1xxx und D3xxxxxx, als Schlosser zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 3.773,26 DM beschäftigt. Für den Betrieb O1xxx, in dem etwa 135 Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist ein siebenköpfiger Betriebsrat gewählt, dessen stellvertretender Vorsitzender der Kläger ist.

Mit Schreiben vom 31.08.2001 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger, da zumindest der dringende Verdacht bestehe, dass dieser gemeinsam mit dem Mitarbeiter N2xxxx während einer Sonderschicht zur Abwicklung eiliger Aufträge in der 34. Kalenderwoche mit Betriebsmitteln, einer CNC-Maschine, und unter Verwendung betriebseigener Werkstoffe während der zu vergütenden Arbeitszeit Gegenstände für den privaten Gebrauch gefertigt habe. Hierzu wurde dem Betriebsrat mitgeteilt, dass bei zufälliger Durchsicht der für die CNC-Stanze 240 vorhandenen Dateien am 23.08.2001 aufgefallen sei, dass mehrere Arbeitsvorgänge unter verschiedenen Dateibezeichnungen programmiert gewesen seien, die betrieblichen Vorgängen nicht hätten zugeordnet werden können. Anhand der jeweils vom Programm erfassten End-Speicherzeiten sei festgestellt worden, dass an diesen Dateien in der 34. Kalenderwoche während der Arbeitszeit der zusätzlich angesetzten Nachmittagsschicht gearbeitet worden sei, wofür aufgrund des Umstandes, dass diese Schicht nur mit dem Kläger und dem Mitarbeiter N2xxxx besetzt gewesen sei, diese Personen verantwortlich gewesen seien.

Eine getrennte Befragung dieser Mitarbeiter habe dazu geführt, dass die Erstellung eines einzelnen Spiegels für den Bruder des Herrn N2xxxx, der dafür das Material gestellt haben soll, unter Beteiligung des Klägers eingeräumt worden sei. Die nicht auf betriebliche Vorgänge bezogenen Dateien hätten jedoch weitere Arbeitsstücke wie Lampengehäuse, Herzen und Sterne zum Gegenstand gehabt, wobei am 30.08.2001 von einem Mitarbeiter zwei Herzen übergeben worden seien, die der Kläger vor längerer Zeit gefertigt habe. Zusammen mit einem am 25.08.2001 aufgefundenen Arbeitsstück lägen also bereits drei Gegenstände vor, welche den betriebsfremden Dateien zugeordnet werden könnten, weshalb entgegen der Einlassung der betroffenen Mitarbeiter nicht von einem isolierten Vorgang auszugehen sei.

Unter dem 03.09.2001 lehnte der Betriebsrat unter Hinweis auf einen an diesem Tag gefassten Beschluss die erbetene Zustimmung ab.

Mit Antrag vom 06.09.2001 (Bl. 68 ff.d.A.) leitete die Beklagte beim Arbeitsgericht Bocholt – 2 BV 27/01 – ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG ein. In diesem Verfahren ist ein Anhörungstermin auf den 08.02.2002 anberaumt.

Bereits am 29.08.2001 hatte die Beklagte durch ihre Geschäftsleitung den Kläger mündlich bis auf Weiteres unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und Zeitguthaben auf dem Arbeitszeitkonto von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung suspendiert sowie ein Hausverbot für den Bereich der Fertigung ausgesprochen. Diese Suspendierung sowie die Erteilung eines Hausverbotes für den Bereich der Fertigung wurden mit Schreiben vom 06.09.2001 (Bl. 11 d.A.) bestätigt.

Inzwischen hat die Beklagte das gegenüber dem Kläger erteilte Hausverbot, soweit es um die Wahrnehmung von Betr...

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