Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bei einer Außendiensttätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Entscheidend ist bei einer Außendiensttätigkeit, die sowohl im Arbeits- als auch im Handelsvertreterverhältnis ausgeübt werden kann, die Zeithoheit des Vertreters.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 03.06.2015; Aktenzeichen 4 Ca 358/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 3. Juni 2015 (4 Ca 358/14) unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 5. August 2013 ein Arbeitsverhältnis besteht.

Es wird weiter festgestellt, dass dieses Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 5. Februar 2014, zugegangen am 6. Februar 2014, weder außerordentlich noch ordentlich beendet worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/4, die Beklagten zu 3/4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und dessen Beendigung durch eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung.

Unter dem 8./10. Juli 2013 schlossen die Parteien einen mit "Handelsvertretervertrag" überschriebenen Vertrag. In diesem Vertag regelten sie u.a. Folgendes:

§ 1 Rechtliche Stellung des Handelsvertreters

Der Handelsvertreter ist ab dem 05.08.2013 als selbständiger Handelsvertreter für den Unternehmer tätig. Das Gebiet des Handelsvertreters erstreckt sich auf Deutschland. Das Recht des Unternehmers, in diesem Gebiet selbst oder durch Dritte tätig zu werden, bleibt unberührt.

§ 2 Aufgabenbereich

Die Vertretung des Handelsvertreters erstreckt sich auf sämtliche von dem Unternehmer vertriebenen Produkte, welche zum Produktions- und Verkaufsprogramm gehören. (Produkte gemäß Anlage 1 - Provisionstabelle)

§ 3 Pflichten des Handelsvertreters

(...)

4. Der Handelsvertreter wird seinen Aufgaben entsprechend den Weisungen des Unternehmers nachkommen. Bei Weisungen des Unternehmers an den Handelsvertreter ist seine Stellung als selbständiger Gewerbebetreibender zu berücksichtigen.

5. Die Vertretung wird dem Handelsvertreter persönlich übertragen. Er ist nicht berechtigt, die Handelsvertretung ohne ausdrückliche Zustimmung des Unternehmers auf einen Dritten zu übertragen oder die Handelsvertretung durch einen Dritten stillschweigend zu dulden; er kann aber zur Ausübung seiner Handelsvertretertätigkeit Hilfspersonen heranziehen. Diese beabsichtigte Beschäftigung eines Untervertreters ist dem Unternehmen schriftlich mitzuteilen und vom Unternehmer schriftlich zu genehmigen. Geht die Einzelfirma des Handelsvertreters in andere Hände über, so führt dies mangels ausdrücklicher Zustimmung des vertretenden Unternehmers nicht gleichzeitig auch zu einem Übergang des Handelsvertretervertrages auf den neuen Firmeninhaber.

6. Entsprechendes gilt auch dann, wenn der Handelsvertreter als Vertragspartner dieses Handelsvertretervertrages seine Einzelfirma in eine Gesellschaft umwandelt. Ohne ausdrückliche Zustimmung des Unternehmers geht das Vertragsverhältnis in solchen Fällen nicht automatisch auf die Gesellschaft über.

§ 5 Ausbildung

1. Grundlage für die Zusammenarbeit ist eine erfolgreiche abgeschlossene Produkt- und Verkaufsausbildung, die über die Deutsche Akademie für Verkauf, Vertrieb und Marketing erfolgt.

2. Die Kosten für diese Ausbildung trägt der Unternehmer. In diesen Kosten sind die Trainer, die Schulungsräume, die Schulungsmaterialien sowie die Verpflegung am Morgen und am Mittag während des Schulungstages beinhaltet. (...)

§ 8 Arbeitsverhinderung, Krankheit, Urlaub des Handelsvertreters, nachfolgend Tätigkeitsunterbrechung

1. Der Handelsvertreter hat den Unternehmer unverzüglich schriftlich zu unterrichten, wenn er aus krankheitsbedingten oder sonstigen Gründen an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert ist.

2. Der Handelsvertreter sollte seinen Urlaub nach Möglichkeit in die geschäftsarme Zeit legen. Urlaub unter einer Woche ist 14 Tage im Voraus abzustimmen. Längere Urlaube sollten möglichst 8 Wochen vor Urlaubsantritt mit dem Unternehmer abgestimmt werden. Entsprechendes gilt auch bezüglich anderer vorübergehender Tätigkeitsunterbrechungen. (...)

Bei der Beklagten gibt es mehrere Möglichkeiten, nach denen die auf der Basis eines solchen oder ähnlichen Handelsvertretervertrages beschäftigten Vertreter im Vertrieb tätig werden. Zum einen können sie auf Messen sowie auf von der Beklagten mit weiteren Partnern wie Apotheken veranstalteten Informations- und Verkaufsveranstaltungen tätig werden. Zum anderen sind sie berechtigt, bundesweit ihre Kunden vollständig selbst zu akquirieren. Schließlich besteht für sie seit Dezember 2013 auch die Möglichkeit, mit Unterstützung der Beklagten sog. Gesundheitstage zu organisieren, bei denen die Produkte der Beklagten vorgeführt und beworben werden.

Zudem betreibt die B...

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