Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot für sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG besteht zeitlich uneingeschränkt.

2. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist weder auslegungsfähig noch verfassungskonform auslegungsbedürftig.

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 2 Sätze 1-2; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 04.04.2013; Aktenzeichen 1 Ca 87/13)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 04.04.2013, Az. 1 Ca 87/13, abgeändert.

  • 2.

    Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 24.05.2012 vereinbarten Befristung mit Ablauf des 31.01.2013 beendet worden ist.

  • 3.

    Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Produktionsfachmann in deren Betrieb in Reutlingen weiter zu beschäftigen.

  • 4.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  • 5.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung.

Die Parteien schlossen folgende, jeweils sachgrundlos befristete Arbeitsverträge: von 27.08.2007 bis 30.11.2007, am 24.01.2011 für die Zeit von 01.02.2011 bis 30.06.2011, am 10.06.2011 für die Folgezeit bis 31.05.2012 und am 24.05.2012 für die Folgezeit bis 31.01.2013. Der Kläger verdiente zuletzt 2.674,59 EUR brutto monatlich. Mit der am 20.02.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 25.02.2013 zugestellten Klage macht der Kläger die Entfristung seines Arbeitsverhältnisses und Weiterbeschäftigung geltend.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten,

aufgrund der Vorbeschäftigung im Jahr 2007 sei die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässige Höchstbefristungsdauer für eine sachgrundlose Befristung überschritten. Die vom Bundesarbeitsgericht eingeführte Dreijahresgrenze für die Vorbeschäftigung stelle eine unzulässige Rechtsfortbildung dar. Sie sei vom Wortlaut der Norm nicht gedeckt.

Der Kläger hat beantragt,

  • 1.

    Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 24.05.2012 vereinbarten Befristung am 31.01.2013 beendet worden ist.

  • 2.

    Im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unverändertem arbeitsvertraglichen Bedingungen als Produktionsfachmann in deren Betrieb in Reutlingen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen.

Das am 04.04.2013 verkündete Urteil hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 10.04.2013 zugestellt erhalten. Die Berufung ist am 07.05.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und deren Begründung innerhalb der verlängerten Frist am 10.07.2013.

Zur Begründung der Berufung verweist der Kläger auf das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2013 (5 Ca 2133/12), das inzwischen in der Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm anhängig ist (4 Sa 524/13). Im Übrigen beharrt der Kläger auf seinem Rechtsstandpunkt.

Der Kläger beantragt,

  • 1.

    Das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 04.04.2013, Az. 1 Ca 87/13, abzuändern.

  • 2.

    Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 24.05.2012 vereinbarten Befristung am 31.01.2013 beendet worden ist.

  • 3.

    Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziffer 1 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unverändertem arbeitsvertraglichen Bedingungen als Produktionsfachmann in deren Betrieb in Reutlingen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen, den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen in beiden Instanzen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG), sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 3 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.

II.

Die Berufung ist begründet. Die zuletzt für die Dauer von 01.06.2012 bis 31.01.2013 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses ohne Vorliegen eines Sachgrundes ist unzulässig. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht daher fort. Der Kläger hat Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.

1. Die Klage ist rechtzeitig innerhalb von 3 Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages erhoben worden (§ 17 Satz 1 TzBfG).

2. Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur ...

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