Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellungszeitpunkt bei Zustellung mittels Einschreibens durch die Post. frühestmöglicher Zeitpunkt des Ausspruches einer Kündigung nach Zugang des Zustimmungsbescheides durch das Integrationsamt

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Zustimmung des Integrationsamtes zur ordentlichen Kündigung liegt erst mit wirksamer Zustellung des Zustimmungsbescheids vor. Wählt das Integrationsamt als Zustellungsart den eingeschiebenen Brief, so gilt der Zustimmungsbescheid mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass das zuzustellende Schriftstück nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugagangen ist (§ 4 Abs. 1 VwZG BW). Erst nach Ablauf dieser drei Tage ist die Zustimmung wirksam. Eine frühere tatsächliche Zustellung ist unbeachtlich.

 

Normenkette

SGB IX §§ 85, 88 Abs. 3, § 91; SGB X § 41; VwZG BW § 2; VwZG BW § 3; VwZG BW § 4; VwZG BW § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Urteil vom 13.04.2006; Aktenzeichen 2 Ca 458/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom13.04.2006 – 2 Ca 458/05 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers und der Beklagten Ziffer 1 durch die ordentliche Kündigung der Beklagten Ziffer 1 vom 28.10.2005 nicht beendet worden ist.

2. Der Kläger und die Beklagte Ziffer 1 tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten erster und zweiter Instanz, hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz trägt die Beklagte Ziffer 1 ihre eigenen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte, der Kläger trägt seine außergerichtlichen Kosten zur Hälfte sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziffer 2.

3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Beklagten Ziffer 1 vom 28.10.2005 zum 30.04.2006.

Der am 00.00.1958 geborene, verheiratete Kläger, Vater von zwei unterhaltsberechtigten Kindern, ist seit 01.01.1990 bei dem Institut J. als Diplomchemiker beschäftigt. J. war Inhaber eines Instituts für analytische Chemie, Wasser-, Boden- und Luftuntersuchungen. Er beschäftigte regelmäßig mehr als 40 Arbeitnehmer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und J. existiert nicht. Ein Betriebsrat bestand nicht. Der Kläger war überwiegend im Bereich der Dioxinanalyse und der Erstellung von Brandgutachten tätig. Er verdiente zuletzt monatlich EUR 5 000,00 brutto. Der Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 50 % schwerbehindert. Er wurde bereits Ende 2004 durch J. von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt.

Mit Bescheid vom 28.01.2005 stimmte der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (künftig: Integrationsamt) dem Antrag von J. vom 29.11.2004 auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zu. Der gegen den Zustimmungsbescheid eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 27.06.2005 zurückgewiesen. Mit Datum vom 28.01.2005 kündigte J. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.07.2005. Der Kläger obsiegte mit der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Reutlingen. Die Berufung wurde mit Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17.03.2006 (18 Sa 20/05) mit der Begründung zurückgewiesen, eine wirksame Zustellung des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes sei vor Ausspruch der Kündigung nicht erfolgt. Nach Zurückweisung des Widerspruches des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes kündigte J. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 13.07.2005 erneut, diesmal vorsorglich zum 31.01.2006. Auch bezüglich dieser Kündigung obsiegte der Kläger im Kündigungsschutzverfahren erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Reutlingen (2 Ca 316/05), da die Kündigung nicht innerhalb eines Monats nach Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt ausgesprochen worden sei. Der damalige Beklagte nahm die zunächst eingelegte Berufung (7 Sa 62/06) gegen das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen im Verlauf der mündlichen Berufungsverhandlung im vorliegenden Rechtsstreit zurück.

Am 19.7.2005 wurde die neu gegründete „Institut J. GmbH & Co KG”, die Beklagte Ziffer 1, welche durch die J. Verwaltungs-GmbH, die Beklagte Ziffer 2, vertreten ist, in das Handelsregister des Amtsgerichts Tübingen eingetragen. J. ging zunächst davon aus, dass lediglich ein Formwechsel stattgefunden habe, eine entsprechende Mitteilung erfolgte mit Schreiben vom 04.10.2005 an das Integrationsamt. Mit Schreiben vom 21.02.2006, dem Kläger zugegangen am selben Tag, unterrichtete die Beklagte Ziffer 1 den Kläger schriftlich über einen Betriebsübergang von J. auf die Beklagte Ziffer 1 mit Wirkung zum 01.09.2006 (Blatt 146 der erstinstanzlichen Akte). Der Kläger legte keinen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ein. Im Rahmen der Berufung legte die Beklagte Ziffer 1 Kopien der notari...

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