Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Bewerbung mit gefälschtem Ausbildungszeugnis. Kenntnis des Anfechtungsgrundes nach 8 1/2 – jähriger Tätigkeit. Fälschung eines Zeugnisses. Vorlage gefälschter Unterlagen im Bewerbungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Anfechtung eines Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung (Fälschung des bei der Stellenbewerbung vorgelegten Ausbildungszeugnisses) kann auch noch nach mehrjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit des Arbeitnehmers erfolgen.

 

Normenkette

BGB § 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1, § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 07.02.2006; Aktenzeichen 31 Ca 11627/05)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 07.02.2006 – 31 Ca 11627/05 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Anfechtung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 09.11.2005, über die Wirksamkeit einer hilfsweise erklärten außerordentlichen Kündigung vom 11.11.2005 und einer wiederum hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 21.11.2005 zum 31.03.2006.

Der am 00.00.1973 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 09.05.1997 als Universalschweißer gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 4.160,00 EUR tätig. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Automobilindustrie. Der Kläger ist in der Gießerei Leichtmetall Zylinderköpfe beschäftigt. Vor seiner Beschäftigung bei der Beklagten hatte der Kläger in einem anderen Betrieb eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker Versorgungstechnik absolviert. Nach dem von der Industrie- und Handelskammer nach § 34 BBiG a. F. erteilten Zeugnis vom 26.01.1994 hatte er die schriftliche Prüfung mit der Note „ausreichend” (54 Punkten) und die praktische Prüfung mit der Note „befriedigend” (70 Punkte) bestanden. Vor seiner Bewerbung bei der Beklagten fälschte der Kläger dieses Prüfungszeugnis und veränderte die Bewertung der schriftlichen Prüfung auf die Note „befriedigend” (65 Punkte) und der praktischen Prüfung auf die Note „gut” (89 Punkte). Mit dem gefälschten Zeugnis bewarb sich der Kläger bei der Beklagten und wurde mit Wirkung ab dem 09.05.1997 eingestellt.

Nachdem sich ein Mitarbeiter der Beklagten, dem ebenfalls die Fälschung seines Abschlusszeugnisses vorgeworfen wurde, dahingehend eingelassen hatte, dass sich auch noch weitere Kollegen durch gefälschte Zeugnisse einen Arbeitsvertrag bei der Beklagten erschlichen hätten, jedoch keine Namen nannte, begann die Beklagte, Bewerbungsunterlagen von Arbeitnehmern auf ihre Echtheit zu überprüfen. Im Rahmen dieser Überprüfung fielen bei dem Zeugnis des Klägers Unstimmigkeiten auf. Die Beklagte verglich deshalb die Angaben im vorgelegten Prüfungszeugnis des Klägers mit den bei der IHK hinterlegten Daten und stellte hierbei Anfang November 2005 die Fälschung fest.

Nachdem der Kläger bei der Anhörung am 04.11.2005 mit dem Fälschungsvorwurf konfrontiert worden war, räumte dieser ein, das Zeugnis gefälscht zu haben. Er ließ sich dahingehend ein, dass seine damalige Freundin ihn ermuntert habe, durch die Notenfälschung seine Einstellungschancen bei der Beklagten zu verbessern.

Mit Schreiben vom 09.11.2005, das am selben Tage um 15.20 Uhr in den Hausbriefkasten des Kläger eingeworfen wurde, focht die Beklagte den zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrag an. Mit Schreiben ebenfalls vom 09.11.2005 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 31.03.2006 an. Nachdem der Betriebsrat gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 10.11.2005 Bedenken geäußert hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 11.11.2005, dem Kläger am 14.11.2005 zugestellt, und, nachdem der Betriebsrat der beabsichtigten ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 15.11.2005 widersprochen hatte, mit Schreiben vom 21.11.2005, dem Kläger zugestellt am 22.11.2005, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2006.

Gegen die Anfechtung des Arbeitsvertrages durch die Beklagte vom 09.11. und die Kündigungen wandte sich der Kläger mit seiner am 24.11.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Der Kläger ist der Auffassung, ein Anfechtungsgrund liege nicht vor, ebenso wenig ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung; die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Seine Arbeitsleistung sei bis zur Anfechtung ohne jede Beanstandung geblieben. Aufgrund seiner überdurchschnittlichen praktischen Fähigkeiten und seiner Einsatzbereitschaft habe er sich für besonders schwierige Schweißarbeiten empfohlen. Bereits Mitte oder Ende des Jahres 2000 habe die Beklagte ihm den für Schweißer höchstmöglichen Arbeitswert von 28 zuerkannt. Die Beklagte könne das Arbeitverhältnis nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten. Die Beklagte behaupte lediglich pauscha...

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