Einführung zum Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)

– Gesetzliche Unfallversicherung –

 

Rz. 1

Die Gesetzliche Unfallversicherung ist neben der Kranken- und Rentenversicherung ein Zweig der Sozialversicherung. Im Rahmen der Bismarckschen Sozialversicherungsgesetze und aufgrund der kaiserlichen Botschaft v. 17.11.1881 sind mit dem Unfallversicherungsgesetz v. 6.7.1884 (RGBl. S. 69) die Regelungen zur gesetzlichen Unfallversicherung am 1.1.1885 in Kraft getreten. Der Personenkreis der Versicherten war zunächst auf besonders gefährdete Betriebe beschränkt. In der Folgezeit wurde der Versicherungsschutz auf weitere Gewerbezweige erweitert und die gesetzlichen Regelungen in die am 1.1.1914 in Kraft getretene RVO eingegliedert. Im Jahr 1925 wurden Wegeunfälle und Arbeitsgeräteunfälle in den Versicherungsschutz einbezogen und durch die Verordnung über die Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten die ersten Berufskrankheitentatbestände aufgelistet. Erst im Jahr 1942 wurde der Versicherungsschutz auf alle Unternehmen und alle Arbeitnehmer ausgedehnt. Zum 1.1.1997 wurden die gesetzlichen Vorschriften in das SGB VII eingegliedert (UVEG v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254).

 

Rz. 2

Seither ist das Leistungsrecht in der gesetzlichen Unfallversicherung im Wesentlichen unverändert geblieben. Durch Art. 128 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) v. 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626) wurde das Unfallversicherungsrecht an die Datenschutz-Grundverordnung der EU angepasst. Durch Art. 7 des 7. SGB IV-ÄndG v. 12.6.2020 (BGBl. I S. 1248) wurde das Berufskrankheitenrecht reformiert. Der Unterlassungszwang als Tatbestandsvoraussetzung für die Anerkennung bestimmter Berufskrankheiten wurde abgeschafft, die Rechtsgrundlagen für das Verfahren wurden präzisiert und die Anreize für präventive Maßnahmen, auch unter verpflichtender Mitwirkung der Versicherten, wurden verstärkt. Durch Art. 24 wurden die Vorschriften der BKV an die Reform angepasst. Durch das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz v. 30.10.2008 (BGBl. I S. 2130) wurde die Anzahl der gewerblichen Berufsgenossenschaften von 35 auf 9 reduziert. In der Umsetzung erfolgten zahlreiche Fusionen unter den Versicherungsträgern. Mit dem Gesetz zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-NOG) v. 12.4.2012 (BGBl. I S. 579) wurde zum 1.1.2013 die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet und die regionalen landwirtschaftlichen Versicherungsträger dort eingegliedert. Die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand wurden ebenfalls zusammengefasst. Auf Bundesebene gibt es seit dem 1.1.2016 nur noch die Unfallversicherung Bund und Bahn. Ebenfalls zum 1.1.2016 wurde die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation als gewerbliche Berufsgenossenschaft gegründet. Auf Landesebene wurden die Unfallversicherungsträger auf Landes- und Kommunalebene zu jeweils einer Unfallkasse vereinigt.

 

Rz. 3

Alle wesentlichen Strukturmerkmale der gesetzlichen Unfallversicherung sind seit 1884 unverändert geblieben. Grundlegend sind die Prinzipien der Haftungsersetzung und des sozialen Schutzes. Die zivilrechtliche Haftung des Unternehmers auf Schadensersatz, die ansonsten infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit grundsätzlich bestehen würde, wird ersetzt durch den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Davon ausgehend erklärt es sich, dass die Beiträge allein von den Unternehmern aufgebracht werden müssen. Sie kaufen sich hierdurch von der persönlichen Haftung frei. Die Haftungsersetzung vermeidet somit Streitigkeiten zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer und dient daher der Wahrung des Betriebsfriedens. Ermittlungen zur Verursachung eines Körperschadens durch Arbeitskollegen oder durch Umstände, die dem Verantwortungsbereich des Unternehmers zuzurechnen sind, werden überflüssig. Freilich ist das Prinzip der Haftungsersetzung eng verknüpft mit dem Prinzip des sozialen Schutzes. Vielfach wäre ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch entweder gar nicht oder nur unter größten rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten durchsetzbar. Verursachung und Verschulden des Unternehmers müssten nachgewiesen werden. Vielfach wäre nicht der Unternehmer, sondern ein Arbeitskollege haftbar, der jedoch wirtschaftlich wenig leistungsfähig wäre. Diese Risiken werden durch die Versicherung genommen. Darüber hinaus ist der Versicherungsschutz vom Verschulden unabhängig und steht vom Grundsatz her der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung nahe. Im Lauf der Zeit hat der Gesetzgeber aus sozialpolitischen Gründen immer wieder unabhängig vom Prinzip der Haftungsersetzung weitere Personenkreise und Risikobereiche in den Versicherungsschutz einbezogen. Besonders augenfälliges Beispiel ist die Einfüh...

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